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Von Zwanzig bis Dreißig

Von Zwanzig bis Dreißig

Titel: Von Zwanzig bis Dreißig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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letzten Lebensjahre scheint er in Einsamkeit, Krankheit und Sorge verbracht zu haben, und zwar außerhalb Hamburgs; wenigstens starb er im Sankt Hedwigs-Krankenhause zu
Berlin
im Oktober 1884.
     

Viertes Kapitel
     
Theodor Storm
    Storm kam Weihnachten 1852 von Husum nach Berlin, um sich hier, behufs Eintritts in den preußischen Dienst, dem Justizminister vorzustellen. Er sah sich im Ministerium wohlwollend und entgegenkommend, in literarischen Kreisen aber mit einer Auszeichnung empfangen, die zunächst dem Dichter, aber beinahe mehr noch dem Patrioten galt. Denn alle anständigen Menschen in Preußen hatten damals jedem Schleswig-Holsteiner gegenüber ein gewisses Schuld- und Schamgefühl. In unserem Rütli-Kreise – »Rütli« war eine Abzweigung des Tunnels – wurden die Storm zuteil werdenden Huldigungen allerdings noch durch etwas Egoistisches unterstützt. Wir gingen nämlich gerade damals mit dem Gedanken um, ein belletristisches Jahrbuch, die »Argo«, herauszugeben, und wünschten uns zu diesem Zwecke hervorragender Mitarbeiter zu versichern. Dazu paßte denn niemand besser als Storm, der auch wirklich ins Netz ging und uns eine Novelle zusagte. Wir sahen uns dadurch in der angenehmen Lage, zum Weihnachtsfeste 1853 Storms Erzählung »Ein grünes Blatt« – die neben der gleichzeitig in unserem Jahrbuche erscheinenden Heyseschen »L'Arrabbiata« kaum zurückstand – bringen zu können. Die Zusage zu diesem Beitrage hatten wir schon bei des Dichters Anwesenheit in Berlin empfangen, aber das Nähere war einer Korrespondenz vorbehalten worden, die sich dann auch bald nach seiner Rückkehr in sein heimatliches Husum entspann. Aus dieser Korrespondenz gebe ich hier einiges.
     
    Husum
, 23. März 1853
     
    Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief, für Ihre Mitteilungen und vor allem für den guten Glauben an mich. Ob ich ihn diesmal rechtfertigen werde, weiß ich nicht. Glauben Sie, daß das beifolgende »Grüne Blatt« eine Stelle in Ihrem Jahrbuch verdient, so stelle ich es zur Disposition. Ich war damit beschäftigt, es in Hexameter umzuschreiben, und habe bei diesem schließlich wieder aufgegebenen Umarbeitungsversuch alles Urteil über meine Arbeit verloren; gefällt sie Ihnen daher nicht, so lassen Sie mich nur den darüber gezogenen Strich getrost in seiner ganzen Dicke sehen. Überhaupt darf ich nach bündigster Erfahrung bemerken, daß ein Verwerfen einzelner Arbeiten mich auch nicht einmal unangenehm berührt; ich muß vielleicht dabei sagen, daß es mir mit Sachen, die mir wirklich am Herzen lagen, noch nicht passiert ist. Also lassen Sie der weißen und der schwarzen Kugel ihren ungenierten Lauf.
    Klaus Groth kenne ich nicht; allein, da er mir sein Buch unbekannterweise geschickt und ich es in hiesigen Blättern empfohlen habe, so kann ich in Ihrer Angelegenheit sehr wohl an ihn schreiben, was denn allernächstens geschehen soll.
    Ob ich bei Ihnen in Berlin meine Probezeit bestehen werde, ist sehr fraglich; denn da meine demnächstige Anstellung doch wohl in einem kleinen Städtchen Neuvorpommerns – wegen der dortigen Geltung des gemeinen Rechts – sein wird, so wäre es am Ende nicht wohlgetan, meine Vorschule im Gebiete des preußischen Landrechts zu machen. Eine kurze Reise werde ich indessen jedenfalls nach Berlin zu machen haben.
    Das Berliner Wesen in seinen unbequemen Eigenschaften habe ich bei meinem letzten Aufenthalte nicht empfinden können; man hat sich fast überall, und namentlich im Kreise Ihrer Bekannten, des Fremden mehr als gastfreundlich angenommen. Gleichwohl ist in der Berliner Luft etwas, was meinem Wesen widersteht und was ich auch bis zu einem gewissen Grade zu erkennen glaube. Es ist, meine ich, das, daß man auch in den gebildeten Kreisen Berlins den Schwerpunkt nicht in die Persönlichkeit, sondern in Rang, Titel, Orden und dergleichen Nipps legt, für deren auch nur verhältnismäßige Würdigung mir, wie wohl den meisten meiner Landsleute, jedes Organ abgeht. Es scheint mir im ganzen »die goldene Rücksichtslosigkeit« zu fehlen, die allein den Menschen innerlich frei macht und die nach meiner Ansicht das letzte und höchste Resultat jeder Bildung sein muß. Man scheint sich, nach den Eindrücken, die ich empfangen, in Berlin mit der
Geschmacksbildung
zu begnügen, mit der die Rücksichtnahme auf alle Faktoren eines bequemen Lebens ungestört bestehen kann, während die Vollendung der sittlichen, der Gemütsbildung in einer Zeit wie die unsere jeden Augenblick

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