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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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Plastik. Ich warf die Scherben in den Graben, wo sie auf den schwarzen Abfällen wie Sterne glitzerten. Das Wasser in der Grube stand niedrig; wir hatten seit Wochen keinen richtigen Regen gehabt. Der Schauer,den wir brauchten, war draußen über dem Golf, wurde von dem Sturm, der sich dort aufbaute, wie ein müdes, hungriges Kind festgehalten. Wenn es im Sommer schön viel regnet, füllt sich die Grube bis zum Rand, und wir schwimmen darin. Das Wasser, das normalerweise rosafarben war, war jetzt schleimig und bräunlich-rot. Die Farbe von Schorf. Ich wandte mich ab, um zurückzugehen, und sah Gold. Manny.
    »Zu trocken«, sagte er. Er blieb neben mir stehen, eine Armlänge entfernt. Ich hätte ihn vielleicht mit meinen Fingernägeln kratzen können. »Taugt nich zum Schwimmen zurzeit.«
    Ich nickte. Jetzt, wo er mit mir sprach, wusste ich nicht, was ich sagen sollte.
    »Wenn dein Daddy recht hat, kommt allerdings bald was«, sagte er.
    Ich schlug mit dem Tonnendeckel gegen die Seite meines Beins, ohne an den Schmutz zu denken, der daran klebte. Er löste sich und rieselte wie Puder zu Boden. Ich wollte schweigen, aber es war mein einziger Gedanke, deshalb sprach ich ihn aus.
    »Wieso bist du nich vorne?«
    Ich schaute auf seine Füße. Seine früher mal weißen Jordans hatten die Farbe von Orangensorbet.
    »Bei den andern?«
    »Ja.« Ich blickte kurz in sein Gesicht. Der Schweiß lag darauf wie eine Glasur. Meine Lippen waren geöffnet. Ein anderes Ich hätte ihn abgeleckt, und er hätte salzig geschmeckt. Aber dieses Mädchen wollte sich nicht vorbeugen, wollte nicht lächelnd ihren Mund über seinen Hals streifen lassen. Dieses Mädchen wartete, weil sie nicht so war wie die Frauen in der Mythologie, die Frauen, über die ich nie genug lesen konnte: die trickreichen Nymphen, die unbarmherzigen Göttinnen, die Mütter, die die Welt umstürzten. Io, die das Herz eines Gottes in Liebe erglühen ließ; Artemis, die einen Mann in ein Reh verwandelte und ihn dannvon ihren Hunden zerfleischen ließ; Demeter, die nach dem Raub ihrer Tochter die Zeit anhielt.
    »Weil ich kein Gras rauche«, sagte Manny, und sein Schuh glitt neben meinen. »Du weißt doch, ich mach das nich mehr.« Seine Füße standen vor mir, und plötzlich, groß wie er war, nahm er mir die Sonne weg. »Du weißt doch, was ich mache.« Er schaute mich richtig an, ganz direkt, zum ersten Mal an dem Tag. Er lächelte. Sein Gesicht mit dem roten Sonnenbrand und den Grübchen und Pockennarben und den glänzenden Narben von dem Autounfall, den er mit siebzehn hatte, als er betrunken und high mit seinen Cousins um Mitternacht über Land fuhr und sie ins Schleudern kamen und mit einem Reh zusammenstießen. Er war durchs Fenster geflogen, auf dem steinigen Asphalt und den Scherben gelandet und hatte sich das Gesicht zerschrammt; die Straße hatte ihn ebenfalls verbrannt und ihm noch ein paar Knochen gebrochen. Er war die Sonne.
    Manny berührte mich zuerst da, wo er mich immer anfasste: am Arsch. Er griff zu und zog, und meine Shorts rutschten herunter. Seine Finger zerrten an meinem Slip, seine Unterarme rieben über meine Taille, und seine Berührungen brannten wie Flammenzungen. Er hatte mich noch nie richtig geküsst, immer nur so, mit seinem Körper, nie mit dem Mund. Meine Unterhose rutschte an meinen Beinen hinunter. Er schälte meine Kleidung ab wie eine Orangenschale; er wollte mein anderes Ich. Das fleischige, reife Herzstück. Das klebrige Herz, das die Jungs unter meiner jungenhaften Figur, meiner dunklen Haut und meinem reizlosen Gesicht sahen. Das Mädchenherz, das ich vor Manny den anderen Jungs geschenkt hatte, weil sie es haben wollten, nicht weil ich es ihnen geben wollte. Ich schenkte es ihnen, weil ich dann einen Moment lang Psyche sein konnte, oder Eurydike, oder Daphne. Ich wurde geliebt. Aber bei Manny war es anders; er war so schön, und trotzdem wählte er mich, immer wieder. Erwollte nur mein Mädchenherz; ich schenkte ihm beide. Die Kiefern schienen sich wie im Ringelreihen zu drehen, und ich fiel hin.
Es wird schnell gehen
, dachte ich.
Er wird sein Gesicht in meinem Haar vergraben. Er wird stöhnen, wenn er kommt.
Ich presste meine Hacken in die Rückseite seiner Oberschenkel. Obwohl ich alle anderen Jungs kannte, kannte ich ihn und seinen Körper am besten: Ihn liebte ich am meisten. Ich zeigte es ihm mit meinen Hüften. Mein Haar war ein Kopfkissen im roten Sand. Meine Brüste taten weh. Ich wollte, dass er sich herunterbeugte und

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