Vor dem Sturm
sowohl in Länge wie Tiefe die Mitte des diesseitigen Schlachtenkörpers einnahmen.
Der Plan Napoleons ging dahin, erst die Flügelpunkte: Borodino und Utiza, jenes durch die italienischen Garden des Vizekönigs, dieses durch die Polen unter Poniatowski, nehmen zu lassen, dann aber, und zwar unter Mitwirkung der ebengenannten von rechts und links her einschwenkenden Flügelcorps (deren rasches Vordringen er nicht bezweifelte), die furchtbare Zentrumsposition des Feindes zu durchbrechen. Erst die Fleschen, dann Semenowskoi, dann die Rajewskischanze.
Schon vor Tagesanbruch war der erste Kanonenschuß gefallen, um sieben begann die Schlacht. Der Vizekönig nahm Borodino; aber Poniatowski, auf einen stärkeren Feind stoßend, als er erwartet hatte, konnte nicht Terrain gewinnen. So blieb, als namentlich auch bei Borodino der Angriff wieder ins Stocken kam, die Mitwirkung von den Flügeln her aus und zwang die zu unseren Füßen haltenden Corps von, Davoust und Ney, die Durchbrechung des feindlichen Zentrums in weder von links noch rechts her unterstützten Frontalangriffen zu versuchen. Die Division Compans, dieselbe, die am 5. das erbitterte Gefecht gehabt hatte, hatte wieder die Tête. Sie warf sich auf das nächste Angriffsobjekt, die Bagrationfleschen, nahm sie, verlor sie und nahm sie zum zweiten Mal, aber nur, um sie zum zweiten Mal zu verlieren. Der tapfere Compans fiel, Rapp und Davoust, mehr oder minder schwer verwundet, mußten das Schlachtfeld verlassen, und immer neue Divisionen wurden vorgezogen, um uns den Besitz dieses vorgeschobenen Werkes zu sichern. Erst nach dem vierten diesseitigen Sturm gaben die russischen Grenadiere, die hier unter Fürst Woronzow gestanden und geblutet hatten, jeden Wiedereroberungsversuch auf und zogen sich, soviel ihrer noch waren, auf den jenseitigen Rand des Semenowskagrundes zurück. Zu schwach, noch selber feste Körper zu bilden, reihten sie sich in andere Truppenkörper ein, die sie hier vorfanden. Es waren ihrer noch vierhundert Mann, der Rest von sechstausend. Fürst Woronzow, als er am Abend des Tages seinen Bericht an den Kaiser abfaßte, schloß mit den Worten: »Meine Grenadierbataillone sind nicht mehr; aber sie verschwanden nicht
von
dem Schlachtfelde, sondern
auf
ihm.«
Um elf Uhr hatten wir die Fleschen, und der Grund mußte nun überschritten werden, um zunächst das schon an vielen Stellen brennende Dorf Semenowskoi, dann die links daneben gelegene große Rajewskischanze zu nehmen. Aber schon begann es an den Kräften dazu zu fehlen, wenigstens in der Front. Die Divisionen des Davoustschen Corps waren nur noch Schlacke, die des Neyschen kaum minder, und nur die Division Friant war noch intakt. Sie erhielt Befehl zum Vorgehen und nahm jetzt die Tête, während die schon im Feuer gewesenen Divisionen aufschlossen. Die Bravour des Angriffs schien einen Augenblick einen großen Erfolg versprechen zu sollen; aber in demselben Moment, wo die vordersten Bataillone den jenseitigen Rand des Semenowskagrundes erstiegen, wurden sie von einem auf nächste Distance hin abgegebenen Massenfeuer in langen Reihen niedergemäht; die nachrückenden Bataillone stutzten, wandten sich und suchten diesseitig der Schlucht in Ravins und Einschnitten eine Zuflucht zu gewinnen. Der Sturmversuch war als gescheitert anzusehen, und in unserer ganzen Front, sowohl unmittelbar vor uns wie auch nach beiden Flügelpunkten hin, standen keine frischen Infanteriekörper mehr, denen eine Wiederholung des Sturmes zuzumuten gewesen wäre.
In diesem Augenblicke kam Befehl an König Murat, es mit seinen Reitermassen zu versuchen. Zu diesen Reitermassen gehörten auch wir. Murat, nach Empfangnahme der Ordre, zog sofort vom linken Flügel her seine vier Kavalleriecorps staffelweise vor, erst Grouchy, dann Nansouty, dann Montbrun, dann Latour-Maubourg, und ließ sie, das letztgenannte Corps vorläufig noch zurückhaltend, mit nur kurzen Pausen gegen die Positionen des feindlichen Zentrums vorbrechen. Grouchy führte, Nansouty und Montbrun folgten. Das Schlachtfeld donnerte unter dem Hufschlag von mehr als 6000 Pferden; selbst der Donner der Geschütze wurde momentan übertönt. Aber der ungeheure Reitersturm vermochte nicht mehr, als die wiederholten Angriffe der Infanteriedivisionen vermocht hatten; am diesseitigen Rande des Semenowskagrundes stürzten die vordersten Reihen, und was übrigblieb, riß die nachfolgenden Regimenter mit in die Flucht der in Front gestandenen hinein.
Ein neuer
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