Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Klostertagen her noch geblieben war, ihre amtshauptmannschaftliche Wohnung und zugleich auch eine Sommerfrische zu nehmen. Das waren dann glückliche Wochen, und sie fuhren nach Plessow, Göttin, Rekahne, um die verschiedenen Rochows, und ebenso nach Groß-Kreuz, um den alten Herrn von Arnstedt zu besuchen, ihr liebstes aber blieb doch immer, an dem schönen Klostersee spazierenzugehn, besonders, wo zwischen Brombeer- und Haselsträuchern hin der Weg über die dicht in Blumen stehende Wiese läuft.«
    »Wie hübsch«, sagte Kathinka. »Ich hätte mit von der Partie sein mögen.«
    »Und eines Abends«, fuhr Lewin fort, »machten sie wieder ihren Spaziergang, und weil gerade die Hagerosen blühten, wandelte die junge Frau die Lust an, eine derselben zu pflücken. Sie drückte deshalb, um die Rose leichter abreißen zu können, einen dicht umherstehenden Haselstrauch beiseite, aber im selben Augenblicke, wo sie die Linke nach der Rose hin ausstreckte, schlug die stärkste der Haselruten wieder zurück und streifte ihr den Ring vom Finger. Sie sah den goldenen Bogen, den er in der Luft beschrieb, und wie er dann auf den Wiesenstreifen dicht hinter der Hecke niederfiel. Ein leiser Schrei kam über ihre Lippen; dann teilten beide sorglich die Hecke, bückten sich und begannen zu suchen. Sie suchten noch, als schon die Mondsichel am stillen Abendhimmel stand; sie suchten in der Frühe des Morgens und als es Mittag war. Aber umsonst, der Ring war fort. Du wolltest mit von der Partie sein, Kathinka; vielleicht daß deine glückliche Hand ihn gefunden hätte.«
    »Keine Diversionen«, lachte diese. »Die Geschichte, die Geschichte.«
    »Und mit dem Ringe war das Glück des jungen Paares dahin; nicht langsam und allmählich, sondern unmittelbar. ›Du hättest vorsichtiger sein sollen‹, sagte der Eheherr im Tone des Vorwurfs, und mit diesem Worte war es geschehen. Aus dem ersten Vorwurf wurde der erste Streit, und alles, was den Frieden eines Hauses stören kann, brach in Jahresfrist herein: Krankheit und Kränkung, Mißernten und Eifersucht.«
    »Auch Eifersucht? Nicht doch. Du darfst deine Helden nicht mutwillig um die Gunst deiner Hörer bringen.«
    »Nur um sie neu zu gewinnen. Allerdings erst für spätere Zeiten.«
    »Dann überschlage, was zwischenliegt.«
    »So wollt ich auch. Die silberne Hochzeit war endlich nahe, und Josua von Bredow, der längst den Dienst quittiert und sich auf seine Amtshauptmannschaft in die Lehniner Einsamkeit zurückgezogen hatte, dachte trotz manchen Unfriedens, der nach wie vor in seinem Hause herrschte, den Tag zu feiern. Es waren doch immer fünfundzwanzig Jahre! Er hatte deshalb einen großen Bogen Papier vor sich und schrieb eben die Namen derer auf, die zu dem Tage geladen werden sollten, als ihm Frau von Bredow, die trotz ihrer fünfundvierzig immer noch eine hübsche und stattliche Frau war, über die Schulter sah und auf das bestimmteste forderte, daß der alte Arnstedt, der sich auf dem letzten Potsdamer Ball ungebührlich benommen habe, gestrichen werden sollte.
    Eine Szene schien unvermeidlich. Da trat in großer Aufregung die Wirtschafterin ins Zimmer und sagte: ›Gnädiger Herr, da is er; die alte Holtzendorffen hat ihn eben gefunden.‹ Und dabei legte sie eine große Frühkartoffel vor ihn hin, die, beim Ansetzen, mit ihrer Spitze in den goldenen Erbring hineingewachsen war. Da war er also wieder. Die gnädige Mutter Natur gab ihn heraus, und Josua von Bredow und seine geborene von Ribbeck wußten nun, daß wieder bessere Tage kommen würden. Er gab ihr einen Kuß und strich den alten Arnstedt ohne Widerrede aus. Und als in der Woche darauf die silberne Hochzeit wirklich gefeiert wurde, da traten sie zum zweiten Mal vor den Altar, und der alte Lehniner Pastor Krokisius, der aber damals noch bei mittlern Jahren war, hielt eine wunderschöne Rede über den Spruch: ›Wen Gott liebhat, dem müssen alle Dinge zum Besten dienen.‹ Und als seine Rede, denn er konnte sich nicht kurz fassen, endlich zu Ende war, da nahm er die Hand der Silberbraut und steckte den Ring an denselben vierten Finger, von dem ihn die böse Haselrute abgestreift und dadurch eine lange Zwischenzeit des Unfriedens geschaffen hatte. Am Tage nach dieser Feier aber, denn sie mochten sich von ihrem Schatz nicht wieder trennen, ließen sie von Berlin her einen Graveur kommen, der mußte den Tag des Verlustes und des Wiederfindens in den Ring eingraben und die schöne Bibelstelle, über die Pastor Krokisius

Weitere Kostenlose Bücher