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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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in Trab.
     
    In Hohen-Vietz angekommen, hatten alle das Bedürfnis nach Ruhe und zogen sich zurück, unter den ersten Hirschfeldt und Tubal, die dasselbe Zimmer innehatten. Sie plauderten noch eine kleine Weile, dann wurde Hirschfeldt still. Er schlief. Nur Tubal wachte noch.
    Allerlei Gedanken gingen ihm durch den Kopf, deren er nicht Herr werden konnte.
    »Bin ich verlobt?« fragte er sich, als er endlich das Licht gelöscht hatte. »Ich glaube ja... Da müßt ich ja glücklich sein! Und bin ich es? O gewiß, ich bin es, ich
bin
glücklich... Aber nicht glücklich genug; ich würde sonst jubeln und nichts hören und sehen als
sie.
Und seh ich sie? Sonderbar, ich habe kein deutliches Bild von ihr. Kaum ein Bild überhaupt... Und doch lieb ich sie. ›Wer liebte sie nicht!‹ sagte die Tante... Ach, Glück, Glück. Hab ich dich? Und ich frage noch... Undankbarer, der ich bin!«
    So sann er weiter. Immer schattenhafter zogen die Bilder an ihm vorüber, bis auch er entschlief.
Vierzehntes Kapitel
     
Eingeschlossen
    Der nächste Tag, ein Sonnabend, war ein Tag der Vorbereitungen. Bamme saß über Plänen und Karten, während Berndt in aller Frühe aufgebrochen war, um die ferner stehenden Truppenteile heranzubeordern. Gleich nach drei Uhr war er von diesem Ausfluge zurück. Als er wenige Minuten später in das Parterrezimmer des alten Generals eintrat, fand er diesen in eifrigem Gespräche mit Drosselstein, der eben über seine Sendung ins russische Hauptquartier rapportierte. Tschernitscheff war ihm nicht nur mit ausgesuchter Artigkeit entgegengekommen, sondern hatte sich auch dahin geäußert, daß er auf Vorschläge wie diese, mit andern Worten auf Kooperation, recht eigentlich gerechnet habe. Nur diese verspreche bei dem kleinen Kriege, der voraussichtlich in den nächsten Wochen bevorstände, die gewünschten Erfolge. Der Überfall Frankfurts, wenn nur von allen Seiten rechtzeitig eingegriffen würde, böte geringere Schwierigkeiten, als es auf den ersten Blick erscheinen möchte. Die französischen Truppen seien decouragiert, unter allen Umständen aber erheische die Parkierung eines so bedeutenden Geschützmaterials einen raschen Versuch. Er proponiere deshalb die Nacht von Montag auf Dienstag und werde seinerseits im Laufe des voraufgehenden Tages bis in die Kunersdorfer Gegend rücken, um von dort aus zu näher festzusetzender Stunde die Dammvorstadt angreifen zu lassen, und zwar mit zweitausend Mann Elitetruppen. Seines Eifers dürfe man sich versichert halten; er werde persönlich zugegen sein und den Angriff leiten.
    So Drosselsteins Bericht, dem Berndt und Bamme mit wachsendem Interesse gefolgt waren. Beide glaubten in dem guten Ausgange dieser Mission das Unterpfand weiteren Gelingens erblicken zu dürfen und setzten die schon vorher geplante »Rekognoszierung gegen Frankfurt« auf den nächsten Vormittag fest. Zugleich dankten sie dem Grafen für den diplomatischen Takt, mit dem er die Verhandlungen geführt habe, woran sich dann die Bitte reihte, wenigstens bis zu Tische bleiben zu wollen. Drosselstein indessen lehnte, Geschäfte vorschützend, ab und empfahl sich, nachdem er noch einmal gebeten hatte, die Nacht von Montag auf Dienstag, »schon um den guten Willen Tschernitscheffs nicht zu verwirren«, zu Ausführung des Unternehmens im Auge behalten zu wollen.
    Gegen Abend kam Seidentopf, und Jeetze wartete, daß der Kartentisch befohlen werden würde. Die Tarockpartie fiel aber aus, ein Zeichen, daß die Generalspflichten schwer auf Bamme zu lasten begannen. Er selber scherzte darüber und suchte sich durch Selbstpersiflierung, die dann wieder mit Übermütigkeit wechselte, die Last etwas leichter zu machen; aber er kam nicht weit damit, und nur als Berndt von der Heiligkeit des Sonntags zu sprechen und, zu Seidentopf gewandt, ein Mal über das andere ein Bedauern auszudrücken begann, daß er, um der Frankfurter Rekognoszierungsfahrt willen, die Kirche, die Predigt und die Verlesung des Aufrufs versäumen müsse, regte sich der alte Widerspruchsgeist in ihm, und er fuhr mit einem in höchster Stimmlage gesprochenen »
Ich
für mein Teil versäume nicht viel« scharf und trocken dazwischen. Einige Minuten später zogen sich alle zurück, nachdem man noch übereingekommen war, sich am andern Morgen eine halbe Stunde früher als gewöhnlich am Frühstückstische zu treffen.
     
    Und nun war dieser andere Morgen da, und die Glocken des Hohen-Vietzer Turmes klangen durch die winterklare Luft. In dem

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