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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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»Nehmen wir einen Hund mit?« fragte Tubal.
    »Nein. Tiras lahmt, und Hektor scheucht alles auf und bringt nichts zu Schuß. Das beste Tier und der schlechteste Hund.« So brachen sie auf.
     
Zehntes Kapitel
     
Kirch-Göritz
    Kirch-Göritz liegt an der andern Seite der Oder, südöstlich von Hohen-Vietz. Es standen zwei Wege zur Wahl, und die beiden Freunde beschlossen, auf dem Hinmarsche den einen, auf dem Rückmarsche den andern einzuschlagen. Sie passierten zuerst das Dorf, dann den Forstacker. Als sie bei Hoppenmariekens Häuschen vorüberkamen, das stumm und verschlossen dalag, standen sie neugierig still und lugten hinein. Sie sahen aber nichts. Dann schlugen sie einen Fußsteig ein, der diesseitig in halber Höhe des Oderhügels hinlief. Dann und wann flog eine Schack-Elster auf; nichts, was einen Schuß verlohnt hätte.
    Sie sprachen von Faulstich, und Tubal skizzierte den Artikel aus der Jenaer Literaturzeitung, den Lewin nicht gelesen hatte. »Ich fürchte fast«, sagte dieser, »daß der Verfasser hinter dem Eindruck, den seine Arbeit auf dich machte, zurückbleiben wird. Er ist ein kluger und interessanter Mann, aber doch schließlich von ziemlich zweifelhaftem Gepräge.«
    »Desto besser. Ich bin, wie du übrigens wissen könntest, unserer Tante Amelie gerade verwandt genug, um alles, was einen ›Stich‹ hat, zum Teil um dieses Stiches willen zu bevorzugen. Und Faulstich wird keine Ausnahme machen. Er ist mir schon interessant dadurch, daß er in Kirch-Göritz lebt, ein Mann, der sich an die sublimsten Fragen wagt. Welche Schicksalswelle hat ihn an diesen Strand geworfen?«
    »Wir wissen wenig von ihm, und das wenige bedarf wahrscheinlich auch noch der Korrektur. Er ist ein Altmärker, wenn ich nicht irre, aus der Gardelegener Gegend, wo sein Vater Prediger war, ein strenggläubiger, was dem Sohne von Jugend auf widerstand. Nichtsdestoweniger ging er, dem Willen des Vaters nachgebend, nach Halle und begann theologische Studien. Er kam aber, durch literarische Liebhabereien abgezogen, nicht recht vorwärts. Eine Art ästhetische Feinschmeckerei war schon damals seine Sache. Er lernte den um mehrere Jahre jüngeren Ludwig Tieck kennen, spielte den Beschützer, zugleich das oberste kritische Tribunal, und diese Bekanntschaft, so kurz und oberflächlich sie war, war es doch, was ihn schließlich nach allerhand Zwischenfällen nach Kirch-Göritz führte.«
    »Und diese Zwischenfälle laß mich hören.«
    »Gewiß; denn sie sind charakteristisch für den Mann. Es kam endlich zum völligen Bruch zwischen Vater und Sohn, und schon erwog dieser, ob er sich nicht einer herumziehenden Schauspielergesellschaft anschließen solle, als er sich durch in Berlin angeknüpfte Verbindungen in den Kreis der Rietz-Lichtenau gezogen sah. Dieser Kreis, wie du von deinem Papa oft gehört haben wirst, war besser als sein Ruf. Die Rietz, zu manchem anderen, das sie besaß, hatte gute Laune, scharfen Verstand und ein natürliches Gefühl für die Künste. Sie paßte für ihre Rolle. Es war eben allerlei Verwandtes zwischen ihr und Faulstich, der sich bald unentbehrlich zu machen wußte. Er stellte Bilder, erfand Bonmots fürstlicher Personen, sorgte für Klatsch und Anekdoten und machte die Festgedichte. All dies hatte natürlich ein Ende, als die Seifenblase der Lichtenauschen Größe zerplatzte, und Faulstich, wie vier Jahre früher in Halle, sah sich zum zweiten Male den bittersten Verlegenheiten gegenüber.«
    »... Aus denen ihn nun Tieck, wie der besternte Fürst in der Komödie, befreite.«
    »Du sagst es. Die gelockerten Beziehungen knüpften sich wieder an; Faulstich tat den ersten Schritt. Tieck seinerseits, der eben damals den ›Gestiefelten Kater‹ gebracht hatte und mit dem ›Zerbino‹ und der ›Genoveva‹ in Vorbereitung war, begriff leicht, was ihm Faulstich in den zu führenden Fehden wert sein mußte. Denn er war kein gewöhnlicher Kritiker. Voller Phantasie verstand er es, den Intentionen, selbst den Capricen der jungen Schule zu folgen. So halb aus Interesse, halb aus Gutmütigkeit empfahl ihn Tieck an die Burgsdorffs nach Ziebingen hin. Den Rest errätst du leicht.«
    »Doch nicht, gib wenigstens eine Andeutung.«
    »Gut. Er kam also nach Ziebingen, was im weiteren zur Bekanntschaft mit Graf Drosselstein und bald auch zur Übersiedelung nach Hohen-Ziesar führte. Ich kann mich dessen noch entsinnen. Es fiel ihm zu, in der etwas wüst gewordenen Bibliothek wieder Ordnung zu schaffen, und der Graf,

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