Vor dem Urknall
enthielt, wie wir sie kennen.
Die Herkunft des Urknalls
Als der Kosmologe und Priester Georges Lemaître erstmals das Konzept des Urknalls vorschlug, berief er sich auf eine logische Rückverfolgung der Ereignisse. Der russische Physiker Alexander Friedmann hatte bereits 1922 aus der allgemeinen Relativitätstheorie abgeleitet, dass es wahrscheinlich der Raum selbst sei, der sich ausdehne oder zusammenziehe. Auf dieser Grundlage gelang es Lemaître, die Vorstellung eines expandierenden Universums als einen möglichen Ausgangspunkt zu nehmen. Lemaître wurde 1894 in Charlesroi im französischsprachigen Süden Belgiens geboren und wollte ursprünglich Ingenieur werden, aber sein Studium an der Universität Löwen wurde vom Ersten Weltkrieg unterbrochen, in dem er mit einem Tapferkeitsorden ausgezeichnet wurde. Als er in den akademischen Betrieb zurückkehrte, sattelte er auf Physik um, entwickelte ein besonderes Interesse für die Kosmologie und wurde ein paar Jahre später katholischer Priester.
1927 nahm er Friedmanns größtenteils ignorierte Anregung auf, es könne der Raum sein, der sich ausdehnt. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, wäre das Universum in einem früheren Stadium kleiner gewesen: Noch früher hieße noch kleiner und so weiter, bis es schließlich nur noch so groß wie ein Samenkorn gewesen sein konnte – das urzeitliche kosmische Ei eines Universums. Diese Vorstellung passte hervorragend zu seinem katholischen Glauben, obwohl es keinen Hinweis darauf gibt, dass sein Glaube einen unmittelbaren Einfluss auf die Formulierung der Theorie hatte. Aber Lemaître fand die Theorie durch die erst kurz zuvor entdeckten kosmischen Strahlen bestätigt.
Kosmische Strahlen sind Schauer hochenergetischer Teilchen, die aus den Tiefen des Alls ins Sonnensystem hereinprasseln. Gäbe es die Sonne nicht, würden diese Teilchen eine ernsthafte Gefahr für uns darstellen, doch der magnetische Einfluss der Sonne schützt uns weitgehend vor ihrem Aufprall und lenkt viele Teilchen so ab, dass sie nicht in die Erdumlaufbahn eindringen. Die Mehrzahl wird von der Erdatmosphäre abgeschirmt. Entdeckt wurden kosmische Strahlen rund 15 Jahre bevor Lemaître sein «Uratom» vorschlug, gefunden von einem Höhenballon. Da in der Stratosphäre die schutzbietende Atmosphäre weniger wirksam ist, war der Ballon einer größeren Menge kosmischer Strahlen ausgesetzt als auf der Erdoberfläche.
Lemaître stellte sich den Urknall als den Zusammenbruch eines ungeheuer großen Atoms vor, das alle Materie enthielt, die inzwischen das Universum erfüllt – so wie ein Atomkern in einem modernen Reaktor gespalten wird: Und so schien ihm der Gedanke vernünftig zu sein, dass nach dem Urknall Teilchen und Energie in alle Richtungen fortgeschleudert würden. Ein Teil der Materie, so nahm er an, würde von der Gravitation zusammengezogen, um Sterne und Planeten zu bilden. Doch die Teilchen mit höherer Energie hätten der relativ schwachen Gravitationsanziehung standgehalten und würden noch immer als Nachwirkung des grandiosen Anfangs umherfliegen.
Probleme auf der Solvay-Konferenz
Mit 39 Jahren war Lemaître wahrhaftig kein Jungspund mehr, doch in akademischen Kreisen gehörte er noch immer zum Nachwuchs. Er war ganz und gar von der Richtigkeit seiner Theorie überzeugt. Wissenschaftler sprechen von der «Eleganz» einer Theorie, von dem Gefühl, sie entspreche der Wahrheit. Für den Ursprung des Universums schien dies aus Lemaîtres Perspektive eine wahrhaft elegante Theorie zu sein. Sie ging nicht nur als eine Möglichkeit aus Friedmanns Lösungen für Einsteins Relativitätstheorie hervor, sondern schien nun auch durch die Existenz kosmischer Strahlen abgesichert zu sein. Auf der fünften Solvay-Konferenz 1927 bot sich Lemaître die Gelegenheit, seine Idee Einstein persönlich vorzustellen. Es waren Zusammenkünfte der ganz großen Wissenschaftler, die der belgische Industrielle Ernest Solvay ins Leben gerufen hatte. Ursprünglich war es Solvays Absicht gewesen, den Großen und Besten ein Forum zu bieten, auf dem sie über seine eigenen exzentrischen wissenschaftlichen Vorstellungen diskutieren sollten, doch Solvay wurde höflich, aber schleunigst von den teilnehmenden Prominenten an den Rand gedrängt.
Die Konferenz von 1927 ist wegen des Durchbruchs der Quantenmechanik in Erinnerung geblieben. Erstaunlicherweise waren mehr als die Hälfte der Anwesenden Nobelpreisträger oder sollten die Auszeichnung für ihre originelle
Weitere Kostenlose Bücher