Vor dem Urknall
haben jedoch spekuliert, das Universum sei womöglich irgendwie zergliedert worden und es gäbe da draußen gewaltige Einschlüsse von Antimaterie, vielleicht im selben Maßstab wie unser eigenes beobachtbares Universum. Sollten die beiden jemals miteinander in Kontakt kommen, käme es zu einem Ausbruch von Energie, der alle je beobachteten Supernovae zusammengenommen wie einen aufglühenden Streichholzkopf aussehen ließe.
Obwohl der Urknall die beste anerkannte Theorie ist, gibt es noch andere Ideen, und einige Forscher decken in den Beweisen, die sie stützen sollen, regelmäßig Lücken auf. Außerdem trägt es nicht gerade zur Beruhigung bei, dass das Ganze den Eindruck macht, als werde es von einem Wundpflaster zusammengehalten. Wäre nicht der Inflationsgedanke hinzugekommen, würde das ganze Konzept nicht funktionieren. Die Inflation ist aus folgendem Grund problematisch: Obwohl sie dafür sorgt, dass Beobachtungen und Theorie übereinstimmen, kann niemand plausibel erklären, warum sie passiert sein sollte.
Zusammengezählte Möglichkeiten
Ein möglicher Beweis für die Inflation wurde gerade ausgearbeitet, als ich dieses Buch schrieb. Stephen Hawking von der Universität Cambridge und Thomas Hertog von der Denis-Diderot-Universität in Paris entwickeln dabei einen ähnlichen Ansatz zu einer Lösung mit der Bezeichnung «Summe über alle Geschichten». Mit ihrer Hilfe hat der große amerikanische Physiker Richard Feynman einige Aspekte der Quantentheorie erklärt.
Die Quantentheorie stützt sich eher auf Wahrscheinlichkeiten als auf Gewissheiten. Beim Ansatz der Summe über alle Geschichten nimmt ein Teilchen nicht wirklich den eindeutigen, geraden Weg von A nach B. Stattdessen bewegt es sich auf jedem einzelnen Weg aus der unendlichen Fülle aller möglichen Pfade fort. Viele davon haben eine geringe Wahrscheinlichkeit oder haben Phasen (ein Teilchenzustand, der sich mit der Zeit verändert), die sich gegenseitig aufheben, was zum erwarteten Weg führt, aber diese Wege sind real und nicht nur ein mathematischer Trick, um zur Lösung zu gelangen.
Stellen Sie sich einen Augenblick lang einen Lichtstrahl vor, der in der Mitte eines Spiegels in einem bestimmten Winkel reflektiert wird. Zerschlagen Sie jetzt den größten Teil des Spiegels samt der Mitte, sodass nur ein Splitter auf einer Seite übrig bleibt. Es kommt offensichtlich keine Reflexion zustande. Wenn Sie jetzt aber einige dünne schwarze Streifen auf den übrig gebliebenen Splitter kleben, bleiben nur die Pfade übrig, deren Phasen sich addieren. Dann gibt es eine Reflexion, obwohl das Licht jetzt in eine völlig ungeeignete Richtung für die Reflexion gelenkt wird, die nicht unserem Verständnis entspricht. Diese Streifen stoppen die seltsamen Pfade, die sich gegenseitig aufheben.
Sie können dieses Geschehen tatsächlich beobachten, ohne mit Spiegeln und schwarzen Streifen hantieren zu müssen. Die Phasen der Photonen verändern sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, was von der Energie des Lichts abhängt. Beim sichtbaren Licht wird diese Energieabweichung durch Veränderung der Farbe des Lichts deutlich. So werden unterschiedliche Farben von diesen feinen Linien in einem anderen Winkel reflektiert. Richten Sie weißes Licht auf einen Spezialspiegel, in den feine Linien eingraviert sind, und Sie sollten Regenbögen sehen. So einen Spiegel hat praktisch jeder: eine CD oder eine DVD . Drehen Sie sie um, und halten Sie die unbeschriftete Seite ins Licht. Die Regenbogenmuster, die Sie sehen, stammen von den Vertiefungen in der Oberfläche, die einige Phasen des Lichts herausschneiden, sodass es in einem verrückten Winkel reflektiert wird und Ihr Auge trifft: ein sichtbares Beispiel für funktionierende Quantenmechanik.
Hawking und Hertog haben vorgeschlagen, das frühe Universum sei zum Zeitpunkt des Urknalls ein Quantenobjekt gewesen und könne deshalb mit Hilfe der Quantenmechanik angegangen werden. Genauso wie das Quantenteilchen jeden Weg zwischen A und B nimmt, so sei das Quantenuniversum, das der Theorie zufolge ungeheuer viele mögliche Formen hat (wir sprechen hier von 10 500 , das ist eine 1 mit 500 Nullen dahinter), ihrer Auffassung nach in all diesen unterschiedlichen Formen gleichzeitig gegenwärtig gewesen, und das Resultat sei die Summe aller Quantenuniversen. Anschließend nahmen sie sich die Art von Universum vor, mit der wir es heute zu haben, und sahen sich an, wie ein Universum mit Materie und Licht, das sich so
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