Vor der Flagge des Vaterlands
was ich von diesem Abenteuer wohl denken mag. Ist der Wärter Gaydon auch nur ein armer Teufel, so wird sich dieser arme Teufel doch ebenso gut darum Sorge machen, was ihm nun bevorsteht, wie sonst welcher vornehme Herr, und wäre das auch der Besitzer dieser phantastischen Lustjacht selbst. Immerhin bin ich etwas erstaunt, ja unruhig über die Zähigkeit, womit jener durchdringende Blick sich an mich heftet.
Und wenn der Graf d’Artigas hätte errathen können, inwieweit mir jetzt über etwas ein Licht aufging… ich weiß nicht, ob er gezögert hätte, mich einfach über Bord werfen zu lassen.
Die Klugheit gebietet mir, jetzt vorsichtiger als je zu sein.
Ohne daß ich Anlaß zu einem Verdachte – nicht einmal dem fein beobachtenden und scharfsinnigen Ingenieur Serkö gegenüber – gegeben hätte, ist jetzt doch eine Ecke des geheimnißvollen Schleiers für mich zurückgeschlagen und allmählich dämmert in meinen Augen die nächste Zukunft.
Mit der Annäherung der »Ebba« haben sich die Formen dieser Insel, oder richtiger dieses Eilands, worauf sie zusteuert, am hellen Himmelsgrunde immer klarer abgezeichnet. Die Sonne, die ihren Culminationspunkt schon überschritten hat, badet seine Westseite in glänzendem Lichte. Das Eiland liegt ganz vereinzelt, wenigstens entdecke ich, weder im Norden noch im Süden, eine Gruppe, zu der es gehörte. Mit der abnehmenden Entfernung erweitert sich der Gesichtswinkel, worunter es erscheint, während der Horizont hinter ihm herabsinkt.
Das merkwürdig aufgethürmte Eiland bildet ziemlich genau die Form einer umgekehrten Tasse, aus deren Boden rauchiger Dampf emporwirbelt. Sein Gipfel – also der Boden der Tasse, wenn man so sagen will – erhebt sich etwa hundert Meter über die Meeresfläche, und seine Seiten zeigen gleichmäßig steile Abhänge, die ebenso kahl erscheinen, wie die Felsmassen am Fuße, gegen die eine donnernde Brandung anläuft.
Eine besondre Eigenthümlichkeit macht dieses Eiland aber den von Westen kommenden Seefahrern um so leichter erkennbar, nämlich eine durchbrochne Felsmasse. Der natürliche Bogen scheint den Henkel jener Tasse zu bilden und läßt die Wogen wirbelnd hindurchströmen und die Strahlen der Sonne hindurchscheinen, wenn ihre Scheibe sich am östlichen Horizonte erhebt. Unter solchen Umständen gesehen, rechtfertigt das Eiland den ihm beigelegten Namen Back-Cup vollständig.
Nun, dieses Eiland kenne ich… erkenne ich wieder! Es liegt noch vor dem Archipel der Bermudas. Es ist die »Umgekehrte Tasse«, die ich vor einigen Jahren zu besuchen Gelegenheit hatte… Nein, ich täusche mich nicht!.. Damals hat mein Fuß jene Kalkfelsen betreten und ich habe das Stückchen Land von der Ostseite her umwandert. Ja… ja… das ist Back-Cup.
Bei geringerer Selbstbeherrschung hätte ich wohl einen Ruf der Ueberraschung und… der Befriedigung ausgestoßen, über den sich der Graf d’Artigas mit vollem Rechte beunruhigt hätte.
Ich will hier kurz die Umstände schildern, unter denen ich zur Zeit meines Verweilens auf den Bermudas das Eiland Back-Cup näher kennen lernte.
Dieser etwa tausend Kilometer von Nordcarolina gelegne Archipel besteht aus zweihundert Inseln und Eilanden. In seiner Mitte kreuzen sich der vierundsechzigste Längengrad westlich von Greenwich und der zweiunddreißigste Grad nördlicher Breite. Seit dem Schiffbruche des Engländers Somers, der 1609 hier strandete, gehören die Bermudas zum Vereinigten Königreiche, dessen Colonialbevölkerung infolge dessen allmählich bis auf zehntausend Seelen angewachsen ist.
Um ihrer Bodenerzeugnisse an Baumwolle, Kaffee, Indigo, Arrowroot u. dgl. willen, hat England diese Gruppe nicht in Besitz genommen, man könnte sagen, »gekapert«. Sie bot aber, wegen ihrer den Vereinigten Staaten von Nordamerika nahen Lage eine sehr willkommene Marinestation. Die Besitzergreifung vollzog sich ohne Einspruch fremder Mächte, und die Bermudas werden noch heutzutage von einem britischen Gouverneur mit Hilfe eines Rathscollegiums und einer Generalversammlung verwaltet.
Die Hauptinseln des Archipels führen den Namen Saint-David, Somerset, Hamilton und Saint-Georges. Letztere Insel besitzt einen Freihafen, und die gleichnamige Stadt ist auch die Hauptstadt der Gruppe.
Die größte dieser Inseln erreicht nicht über fünfundzwanzig Kilometer Länge bei vier Kilometer Breite. Wenn man noch die mittleren abzieht, bleibt nur ein Haufen von Eilanden und Rissen übrig, die über ein Gebiet von
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