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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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liegen die beiden Fahrzeuge, durch eine Wasserstrecke von drei bis vier Seemeilen getrennt, einander längsseitig gegenüber.
    Der Wind hat sich jetzt vollständig gelegt. Das für lange Fahrt gebaute andre Schiff, ein dreimastiges Handelsfahrzeug, ist damit beschäftigt, seine obern Segel einzuziehen. Auf ein Wiedererwachen des Windes vor Anbruch des nächsten Tages ist nicht zu rechnen, und morgen muß der Dreimaster bei diesem ruhigen Meere jedenfalls noch an seiner Stelle liegen. Die von ihrem geheimnißvollen Mechanismus angetriebene »Ebba« nähert sich jenem weiter.
    Selbstverständlich hat der Kapitän Spade das Einziehen der Segel angeordnet und das geschieht unter Leitung des Obersteuermanns Effrondat mit der Schnelligkeit, die man an Bord von Lustjachten oft mit Bewunderung beobachtet.
    Als es anfängt, Nacht zu werden, befinden sich die beiden Fahrzeuge nur noch etwa anderthalb Meilen von einander entfernt.
    Da wendet sich der Kapitän Spade mir zu, tritt am Steuerbord an mich heran und veranlaßt mich ohne viele Umstände, nach meiner Cabine hinunter zu gehen.
     

    Der Kapitän Spade hat das Einziehen der Segel angeordnet. (S. 88.)
     
    Mir bleibt nichts übrig, als zu gehorchen. Bevor ich jedoch das Verdeck verlasse, bemerke ich, daß der Obersteuermann die Positionslichter nicht anzünden läßt, obwohl die des Dreimasters – ein grünes an Steuerbord und ein rothes an Backbord – bereits brennen.
    Ich hege keinen Zweifel, daß die Goelette im Fahrwasser jenes Schiffes unbemerkt vorüberzukommen beabsichtigt.
    Ihre Fahrt hat sie, ohne Veränderung der Richtung, etwas verlangsamt.
    Ich glaube, daß die »Ebba« seit gestern um zweihundert Seemeilen weiter nach Osten zu gelangt ist.
    Meine Cabine hab’ ich unter dem Eindruck eines unklaren Vorgefühls betreten. Mein Abendessen steht auf dem Tische, doch beunruhigt – ich weiß nicht wodurch – rühr’ ich es kaum an, sondern strecke mich nieder zum Schlafe, der sich heute gar nicht einstellen will.
    Dieser unbehagliche Zustand dauert zwei Stunden an. Die Ruhe wird durch nichts gestört, als durch das leise Erzittern der Goelette, das Murmeln des Wassers, das an ihren Seitenwänden hinstreicht, und gelegentlich durch leichte Stöße, wenn sie auf dem friedlichen Meere vorn auf und ab schwankt.
    Mein Gehirn aber, das von der Erinnerung an Alles, was sich in den letzten beiden Tagen ereignet hat, erfüllt ist, kann sich nicht beruhigen. Morgen im Laufe des Nachmittags sollen wir unser Ziel erreicht haben… morgen soll ich meine Wärterstellung bei Thomas Roch auf festem Lande wieder einnehmen, »wenn es nöthig ist,« hat der Graf d’Artigas gesagt.
    Wenn ich, als man mich im Grunde des Schiffsraums eingesperrt hatte, das erste Mal bemerkte, daß die Goelette sich über den Pamplicosund hin in Bewegung setzte, so fühl’ ich in diesem Augenblick – es mag ungefähr zehn Uhr abends sein – daß sie eben angehalten hat.
    Wozu dieses Verweilen?… Als mir der Kapitän Spade befahl, das Verdeck zu verlassen, hatten wir kein Land in Sicht. In dieser Richtung verzeichnen die Karten nur die Bermudas-Inseln, und als es finster wurde, hätten wir wenigstens fünfzig bis sechzig Seemeilen weiter sein müssen, wenn die Wachen sie hätten sollen signalisieren können.
    Uebrigens ist nicht nur die Fahrt der »Ebba« unterbrochen, sie liegt vielmehr fast vollständig still. Kaum macht sich ein leises und sehr gleichmäßiges Wiegen von einem Bord zum andern fühlbar. Die Dünung muß sehr schwach sein und kein Windhauch streicht über das weite Meer.
    Meine Gedanken schweifen nun nach dem Handelsschiffe hinüber, das anderthalb Meilen von uns lag, als ich in meine Cabine zurückkehrte. Wenn die Goelette weiter darauf zugesteuert ist, muß sie es nun erreicht haben, und jetzt, wo sie auf einer Stelle hält, können die beiden Fahrzeuge nicht mehr als eine oder zwei Kabellängen von einander entfernt liegen. Der Dreimaster, den schon mit Sonnenuntergang die Windstille überraschte, kann nicht nach Westen abgetrieben sein. Nein, er ist noch an derselben Stelle, und wenn die Nacht klar wäre, würde ich ihn durch die Lichtpforte sehen können.
    Dabei fällt mir ein, daß sich hier vielleicht eine Gelegenheit böte, die ich auszunützen vermöchte. Warum sollte ich nicht versuchen zu entfliehen, da mir jede Hoffnung auf Wiedererlangung meiner Freiheit abgeschnitten erscheint?
    Schwimmen kann ich freilich nicht; doch wenn ich mich mit einer der Rettungsbojen der

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