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Vor der Flagge des Vaterlands

Vor der Flagge des Vaterlands

Titel: Vor der Flagge des Vaterlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Goelette ins Meer stürze, sollte es mir unmöglich sein, den Dreimaster zu erreichen, wenn es nur gelingt, die Wachsamkeit der Matrosen auf dem Vorderdeck zu täuschen?
    Zuerst würde es sich also darum handeln, meine Cabine zu verlassen, die Treppenleiter hinaufzuklimmen. Ich höre kein Geräusch im Schlafraume der Mannschaft von der »Ebba«… jedenfalls schlafen jetzt die Leute… also, frisch gewagt!
    Im Begriff, die Thür zu öffnen, finde ich aber, daß sie von außen verriegelt ist, und das war ja wohl zu erwarten.
    Ich muß also meinen Plan aufgeben, der übrigens ebensoviel Aussichten für sich wie gegen sich hatte.
    Das beste wär’ es, zu schlafen, denn wenn auch nicht körperlich, bin ich doch geistig sehr abgespannt. Fortwährend von Anfechtungen, von einander widersprechenden Gedanken heimgesucht, wär’ es schön, im Schlafe alles vergessen zu können…
    Ich muß wohl eingeschlummert sein, denn ich erwache eben durch ein Geräusch… ein ungewöhnliches Geräusch, das ich an Bord der Goelette bisher noch nicht vernommen habe.
    Schon begann der Tag die Glasscheibe meiner nach Osten zu liegenden Lichtpforte etwas zu erhellen. Ich sehe nach der Uhr; sie zeigt auf halb fünf Uhr früh.
    Meine erste Sorge ist es, mich zu fragen, ob die »Ebba« ihre Fahrt wieder aufgenommen hat.
    Nein, jedenfalls nicht… weder mit ihren Segeln, noch mit ihrem Motor. Dennoch machen sich gewisse Stöße bemerkbar, worüber ich mich nicht täuschen kann. Obendrein scheint das Meer jetzt vor Sonnenaufgang noch so ruhig zu sein, wie am Abend vorher. Wäre die »Ebba« auch in den Stunden, wo ich schlief, weiter gefahren, so liegt sie jetzt wenigstens wieder still.
    Das Geräusch, wovon ich spreche, rührt vom Hin-und Herlaufen von Menschen her, die schwere Lasten zu tragen scheinen. Gleichzeitig macht sich der nämliche Lärm im Schiffsraume unter dem Fußboden meiner Cabine bemerkbar, zu dem die große Luke hinter dem Fockmast den Eingang bildet. Ich überzeuge mich auch, daß die Goelette äußerlich längs ihrer Flanken an dem die Schwimmlinie überragenden Theile ihres Rumpfes von irgend etwas gestreift wird.
    Vielleicht sind Boote an sie herangekommen und die Leute beschäftigt, Waaren zu löschen oder zu laden…
    Und doch ist es gar nicht möglich, daß wir schon an unserm Bestimmungsorte wären. Der Graf d’Artigas hat gesagt, daß die »Ebba« dort erst nach vierundzwanzig Stunden eintreffen werde, und, ich wiederhole, gestern Abend befand sie sich noch fünfzig bis sechzig Seemeilen vor dem nächstgelegnen Lande, den Bermudas-Inseln. Daß sie nach Westen umgekehrt wäre und in der Nähe der amerikanischen Küste läge, ist ebenso unannehmbar, da die Entfernung bis dahin viel zu groß ist. Ferner hab’ ich Ursache zu glauben, daß die Goelette die Nacht über an Ort und Stelle liegen geblieben ist. Vor dem Einschlafen hatt’ ich mich überzeugt, daß sie anhielt, und in diesem Augenblicke weiß ich ebenso bestimmt, daß sie nicht in Fahrt ist.
    Ich warte also, daß man mir gestatte, wieder zum Verdeck hinauf zu gehen. Meine Cabinenthür ist, wie ich finde, noch immer von außen verschlossen. Es ist jedoch kaum anzunehmen, daß man mich hindern werde, die Cabine zu verlassen, wenn es erst heller Tag ist.
    So verrinnt eine Stunde. Das frühe Morgenlicht dringt durch das runde Fenster. Ich sehe hinaus. Ein leichter Nebel bedeckt das Meer, er muß sich aber in den ersten Sonnenstrahlen bald auflösen.
    Da ich jedoch auf eine halbe Seemeile hinaus alles erkennen kann und doch den Dreimaster nicht sehe, muß das daran liegen, daß dieser sich backbord von der »Ebba« befindet, wohin ich keinen Ausblick habe.
    Eben läßt sich ein knarrendes Geräusch hören; der Schlüssel dreht sich im Schlosse. Ich stoße an die Thür, die nun aufgeht, klettre die eiserne Leiter hinauf und betrete das Verdeck, als die Leute die Luke am Vordertheile gerade wieder schließen.
    Ich suche nach dem Grafen d’Artigas. Er ist nicht da und hat seine Cabine wohl noch nicht verlassen.
    Der Kapitän Spade und der Ingenieur Serkö überwachen die sichre Lagerung einiger Ballen, die jedenfalls aus dem Raume herausgeholt und nach dem Hinterdeck geschafft worden waren. Das würde das geräuschvolle Hin-und Hergehen erklären, das ich beim Erwachen hörte. Wenn die Mannschaft aber schon begonnen hat, Frachtstücke heraufzuschaffen, so müssen wir sehr bald am Ziele sein.
    Wir befinden uns also nicht mehr weit von einem Hafen, und nach einigen

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