Vor der Flagge des Vaterlands
Kolonialtruppen, von ent-
wichenen Sträflingen und Matrosen, die von ihren Schif-
fen weggelaufen waren, unter einem furchtbaren Anführer.
Der Kern dieser Bande bildete sich zuerst aus den Leuten –
dem Abschaum europäischer und amerikanischer Völker –,
die die Entdeckung reicher Goldlager nach Neusüdwales in
Australien gelockt hatte. Unter den Goldsuchern befan-
den sich Kapitän Spade und Ingenieur Serkö, zwei Ausge-
stoßene, die eine gewisse Übereinstimmung der Ansichten
und des Charakters bald innig miteinander verband.
Diese gebildeten und tatkräftigen Männer hätten schon
allein infolge ihrer Intelligenz überall und in jeder Lauf-
bahn Erfolge gehabt. Doch ohne Gewissen und Skrupel, ent-
schlossen, sich durch alle beliebigen Mittel zu bereichern,
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und von der Spekulation und dem Spiel erwartend, was sie
durch geduldige und regelmäßige Tätigkeit hätten erzielen
können, stürzten sie sich in die unglaublichsten Abenteuer,
waren heute reich, morgen bettelarm, wie die meisten jener
heimatlosen Landstreicher, die in den Goldadern Reichtü-
mer suchten.
Damals lebte an den Erzlagerstätten von Neusüdwales
ein Mann von beispielloser Kühnheit, einer jener Wage-
hälse, die vor nichts, nicht einmal vor dem Verbrechen, zu-
rückschrecken und deren Einfluß auf gewalttätige und ver-
kommene Naturen fast unwiderstehlich ist.
Dieser Mann führte den Namen Ker Karraje.
Welcher Abstammung und Nationalität der Mann und
welche seine Vergangenheit war, hat auch durch die darüber
angestellten Untersuchungen nicht geklärt werden können.
Wenn er sich aber allen Verfolgungen zu entziehen wußte,
so machte sein Name, wenigstens der, den er sich beilegte –
doch die Runde um die ganze Welt. Man sprach ihn nur mit
Furcht und Schrecken aus, wie den einer sagenhaften, un-
sichtbaren und ungreifbaren Persönlichkeit.
Jetzt glaube ich aber annehmen zu dürfen, daß dieser
Ker Karraje der malaiischen Rasse angehört. Darauf kommt
es übrigens nicht an. Sicher ist jedenfalls, daß man ihn mit
Recht für einen furchtbaren Seeräuber und für den Urheber
der zahlreichen Überfälle in entfernten Meeren ansah.
Nachdem er einige Jahre in den Goldfeldern Australi-
ens zugebracht und Ingenieur Serkö sowie Kapitän Spade
kennengelernt hatte, gelang es ihm, sich im Hafen von Mel-
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bourne, in der Provinz Victoria, eines Schiffes zu bemächti-
gen. Etwa 30 Spitzbuben, deren Zahl sich bald verdreifacht
haben mochte, schlossen sich ihm an. Da wurden denn in
den Teilen des Großen Ozeans, wo die Seeräuberei noch so
leicht, und sagen wir, so ertragreich war, gar viele Schiffe
beraubt, Besatzungen niedergemacht und Raubzüge über
bestimmte Inseln des Westens, die deren Bewohner nicht
verteidigen konnten, durchgeführt. Obwohl das Schiff Ker
Karrajes, das Kapitän Spade befehligte, mehrmals gemel-
det worden war, gelang es doch niemals, es abzufangen.
Es schien die Fähigkeit zu haben, inmitten jener Labyrin-
the von Inselgruppen, wo es jede Wasserstraße, jede Bucht
kannte, nach Belieben zu verschwinden.
Schrecken herrschte in jenen Gegenden. Engländer,
Franzosen, Deutsche, Russen und Amerikaner sandten ver-
geblich Kreuzer zur Verfolgung dieses Schiffsgespenstes
aus, das in See ging, man ahnte nicht wo, und, nach Ver-
übung von Raub und Totschlag, an dessen Verhinderung
und Bestrafung man verzweifeln lernte, sich ebenso an un-
bekannten Orten verbarg.
Eines Tages nahmen die Greueltaten ein Ende. Man
hörte nichts mehr von Ker Karraje, wußte aber auch nicht,
ob er den Stillen Ozean nur gegen ein anderes Meer ver-
tauscht hatte, um seine Raubzüge da wieder aufzunehmen.
Als sich das eine Zeitlang nicht bestätigte, sagte man sich,
daß von den so lange betriebenen Diebereien, selbst nach
Abzug dessen, was für Saufgelage und Ausschweifungen
verschwendet worden wäre, doch noch ein Schatz von un-
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geheurem Wert übrig sein müsse. Und jetzt lebten hier Ker
Karraje und seine Komplizen in dessen Genuß, nachdem
sie ihn in einem, nur ihnen allein bekannten Versteck in Si-
cherheit gebracht hatten.
Wohin hatte sich die Bande nach ihrem Verschwinden
geflüchtet? Alle Nachforschungen in dieser Hinsicht blie-
ben fruchtlos, und, nachdem die Unruhe mit der Gefahr
vorüber war, vergaß man allmählich die Schandtaten, deren
Schauplatz der Westpazifik gewesen war.
Das hatte sich also vorher zugetragen, was ich aber
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