Vor Liebe wird gewarnt! (German Edition)
ausrangierter Plunder herumstand, Teppiche mit riesigen Kaffeeflecken, implodierte Computer, Drucker mit Sprachproblemen, vergammelte Grünpflanzen und mehrere Bürostühle, die aus den verschiedensten Gründen ihre Besitzer nicht mehr tragen wollten. Meinen stellte ich daneben, dann konnte er seine Geschichte mit den anderen austauschen. Allerdings musste ich einen seiner Kumpel entführen, wenn ich nicht den Rest des Tages im Stehen verbringen wollte. Ich suchte den am wenigsten ramponierten Stuhl aus und schob ihn zum Fahrstuhl.
Als ich wieder auf meiner Etage ankam, machte ich einen Umweg zum Büro des Buchhalters.
»Hey Torgen«, rief ich. Er schien eben erst angekommen zu sein, denn er hängte gerade seine nasse Jacke an den Haken und krempelte seine Hemdsärmel hoch.
»Guten Morgen, Emma«, erwiderte er. Torgen war ein sympathischer älterer Mann mit einem netten Schmunzeln, kurzen grauen Haaren und einem etwas ungepflegten Dreitage-Bart. Der war aber auch schon das Spannendste an ihm. Ansonsten schien Torgen ein eher ruhiger Zeitgenosse zu sein, und gelegentlich hatte man den Eindruck, in seiner Gegenwart vor Langeweile einschlafen zu müssen.
»Ich brauche einen neuen Stuhl«, sagte ich, ohne lange um den heißen Brei herumzureden.
»Und du denkst, dass ich dir den besorgen kann?« Er setzte sich und schaltete den Computer an.
»Ja, das hoffe ich. Der hier wird es nicht lange aushalten, mich zu tragen.« Zum Beweis setzte ich mich, was dem Stuhl ein lautes Quieken entlockte und mich fast auf den Boden katapultierte.
Torgen lachte auf, rief sich aber sofort zur Ordnung, als er mein betretenes Gesicht bemerkte. »Ich denke, das kann sich die Firma gerade noch leisten.« Er tippte etwas in seinen Computer, dann strahlte er mich an. »Schon bestellt.«
Ich nickte dankbar. »Können wir auch gleich noch das Budget für die neue Show besprechen?«
Er stand auf und bot mir seinen Stuhl an. »Ich lasse eine Dame nur ungern auf defekten Sitzmöbeln thronen. Ich nehme deinen.«
Ich wollte protestieren, doch er beharrte darauf. Schließlich gab ich auf und nahm auf seinem Stuhl Platz, während er sich in meinen quälte. Das Quieken verstärkte sich, der Sitz rutschte eine Etage tiefer, aber Torgen saß.
»Was willst du ausgeben?«, fragte er von schräg unten.
»Wir brauchen ein paar Sensationen, um die Zuschauer anzuziehen wie vergammeltes Obst die Fruchtfliegen.«
Er zog missbilligend eine Augenbraue nach oben. »Du willst unsere Show doch nicht etwa mit vergammeltem Obst vergleichen?«
»Natürlich nicht. Sie ist der Stern am Fernsehhimmel, das Beste, was Fernsehsender je hervorgebracht haben.«
Er schmunzelte. »Na, das klingt doch schon viel besser. Vergesst DSDS, VOG und wie sie alle heißen. Jetzt kommt ›Er sagt, sie sagt‹!«
»Genau!«, jubelte ich.
»Welche Sensationen willst du haben?«
»Ein Feuerwerk vielleicht? Ein Live-Auftritt von Lady Gaga? Was wäre denn finanziell möglich?«
Torgen stand auf und beugte sich über mich, um am Computer etwas zu berechnen. Ich lehnte mich zurück, um für ihn Platz zu schaffen.
»Hat sich am Gewinn was geändert?«, fragte er durch seine Arme hindurch.
»Nein. Das Siegerpärchen erhält eine Scheidung mit allem Drum und Dran: Paartherapie bei einem erstklassigen Psychologen, ein Jahr Miete für eine neue Wohnung für den, der auszieht, alle Kosten für die Anwälte und Behörden werden erstattet. Das Rundum-Sorglos-Paket für ein verkrachtes Ehepaar.«
Torgen tippte erneut ein paar Zahlen ein, dann atmete er tief aus.
»Das wird nicht billig.«
»Ich weiß. Wie viel?«
»Wenn der Sender kein Geld zusätzlich fließen lässt, sind keine Extras drin, nicht einmal eine einzelne Silvesterrakete, geschweige denn ein Feuerwerk. Und du solltest Gesangsstunden nehmen, weil du selbst singen musst.«
»Verdammt.«
»Es kann sogar sein, dass ihr eine Liveshow noch in einen Dreh umwandeln müsst. Das ist billiger.
»Verdammt! Das bedeutet, die erste Sendung muss schon krachen, damit der Sender vielleicht noch etwas Geld locker macht.«
»Ja, so könnte man es ausdrücken.«
Torgen gähnte.
Ich konnte es mir nicht verkneifen und gähnte ebenfalls. Na toll, noch nicht einmal die erste Pause gehabt und schon müde. Das musste das Gerede um die Zahlen sein. Ich musste raus hier.
»Danke, Torgen.« Ich stand auf.
»Gern geschehen.« Er verzog den Mund zu einem halben Schmunzeln. »Den Stuhl kriegst du trotzdem. Und du kannst meinen in der
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