Vor meinen Augen
seufzte ich, was ziemlich doof klingt, aber daraufhin stöhnte er und küsste mich heftiger. Plötzlich waren mir Abigail oder Mum oder Emily oder alles andere ganz egal, und das Einzige, was ich denken konnte, war, wie gut ich mich fühlte.
Er zog den Kopf zurück und sagte: »Hast du vielleicht Lust, mit zu mir zu kommen? Wir könnten was trinken und ein wenig zusammen sein?«
Ich merkte, wie meine Wangen warm wurden und lächelte. »Klar.« Ich nickte.
Genau in diesem Augenblick klingelte sein Handy. Er strich mir leicht über die Wange und sagte: »Ich muss mal kurz rangehen.« Er zog das Handy aus der Tasche und drehte sich weg. »Hey, du«, sagte er, bevor er einen Schritt weiter wegging, so dass ich ihn nicht mehr hören konnte. Ich wette, es war Abigail. Genervt über mich selbst, verzog ich das Gesicht.
Ich sah ihn an, mein Herz klopfte immer noch schneller als sonst und mein Mund schmeckte noch nach ihm. Trotz allem würde ich mit ihm gehen. Ich schauderte vor Vorfreude. Es wäre so gut, alles andere zu vergessen und ein paar Stunden in seinen Armen zu verbringen. Er zwinkerte mir zu und beendete dann das Telefonat.
Ich sagte: »Also gut, gehen wir.«
»Tut mir leid, Sophie, Schätzchen. Das war ein Freund von mir. Ich muss los – ich war bereits verabredet. Bei deinen Küssen habe ich das total vergessen.«
Ich hatte kaum Zeit, mich stotternd von ihm zu verabschieden, da gab er mir auch schon einen schnellen Kuss auf die Lippen und eilte davon. Er rief über seine Schulter: »Ich ruf dich an.« Dann war er verschwunden, fast, als sei gerade gar nichts zwischen uns passiert. Bei dem Gedanken, dass er jetzt auf dem Weg zu Abigail war, durchfuhr mich ein richtiger Schmerz, aber das änderte nichts daran, dass ich ihn mochte. Ich legte die Finger auf meine Lippen. In meinem tiefsten Inneren wusste ich, dass von Dans Küssen nichts besser würde. Ich wusste, Emily hätte mir das Gleiche gesagt. Aber diesen Gedanken verdrängte ich.
Dienstag, 2. Mai
In der Schlange vor der Essensausgabe hörte ich Abigail zu Megan sagen: »Dan hat immer noch nicht angerufen. Obwohl er mir versprochen hatte, am Freitag zu mir zu kommen. Als er nicht kam, habe ich ihm eine SMS geschrieben und gefragt, wo er bliebe, und er behauptete, er müsste etwas mit seiner Mutter machen. Das ganze Wochenende habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich vermisse ihn.«
Megan mit ihrem großen Zahnlückenmund warf Zara ein geheimnisvolles Lächeln zu. Ich wurde daraus nicht schlau. Ich hasse Megan. Noch schlimmer, ich hasse mich selbst dafür, Dan geküsst zu haben und dafür, dass ich mich auch noch darüber freue, dass er am Freitag nicht zu Abi gegangen ist. Ich war richtig erleichtert und glücklich, dass er nach unserem Treffen nicht gleich zu ihr gegangen ist. Er war zu seiner Mutter gegangen! Obwohl er doch zu mir gesagt hatte, er ginge zu einem Freund, oder? Ich dachte daran, wie er sich vorgebeugt hatte, um mich zu küssen, an dieses kleine Aufstöhnen, als ich seinen Namen sagte. Ich mag ihn so sehr. Ab wann ist bloß alles so kompliziert geworden?
Ich war froh, als Abi sich einen großen Teller mit Pommes und einen Burger kaufte. Sie ist so dünn, dass ihre Knochen sich fast durch die Haut bohren. In letzter Zeit hat sie total abgenommen.
Ich setzte mich zu Megan und Abi und hoffte, Rosa-Leigh würde bald auftauchen. Die Mädchen in der Essensschlange schubsten und stießen einander an. Alles war so normal. Bis auf mich. Mein Puls ging plötzlich schneller, schickte mein Blut in einem eigenartigen, schweigenden Strom von Angst und Schrecken rasend schnell durch meine Adern. Mein Herz begann immer schneller zu klopfen. Eine Panikattacke! Ich ließ mein Essen stehen und lief, ohne den anderen Bescheid zu sagen, zu den Toiletten, wo ich mich in einer der Kabinen versteckte und versuchte, mich wieder zu beruhigen.
Ich hörte jemand hereinkommen. Jemand sagte: »Wie schnell schaffst du es denn?« Das war Megan. Ihre näselnde Stimme hätte ich überall erkannt.
»Vielleicht in zehn Sekunden.« Das war Abigails Stimme.
»Okay, du nimmst die rechte Kabine. Wer schneller ist.«
Ich hatte keine Ahnung, worüber sie sprachen. Dann hörte ich, wie sie reingingen und beide anfingen zu würgen. SICH ÜBERGABEN. Es war ekelhaft.
Ich verhielt mich ganz still.
Nach einer Weile hörten sie auf und verließen die Kabinen. Der ganze Toilettenraum stank nach Erbrochenem.
Abigail sagte: »Jetzt fühle ich mich besser. Ich kann gar
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