Vorkosigan 01 Die Quaddies von Cay Habitat
gereizt an. »Wie, zum Teufel, haben Sie das herausgefunden?«
»Es geht Sie nichts an, wo ich davon erfahren habe. Stimmt es denn?«
»O doch, es geht mich was an. Ich möchte das so lange wie
möglich geheimhalten.«
Also stimmte es. Leos Herz krampfte sich zusammen. »Warum?
Wie lange haben Sie es schon gewußt?«
Van Attas Hand schnippte am Rand eines Stapels von Plastikfolien – Computerausdrucken und Mitteilungen –, die ein Magnethalter an seinen Schreibtisch drückte. »Drei Tage.«
»Dann ist es also offiziell.«
»O ja, ganz offiziell.« Van Atta verzog widerwillig den Mund.
»Ich habe es von der GalacTech-Bezirksleitung auf Orient IV
erfahren. Apmad hat die Nachricht offensichtlich auf ihrem Heimweg bekommen und eine ihrer berühmten Front-Entscheidungen getroffen.«
Van Atta raschelte wieder mit seinen Folien und runzelte die Stirn. »Wir können es nicht umgehen. Wissen Sie, welche Nachricht gestern auf den Fersen dieser Geschichte eintraf? Station Kline hat den GalacTech erteilten Bauauftrag storniert, den ersten Auftrag, zu dem wir die Quaddies ausschicken wollten. Ohne Murren haben sie die Vertragsstrafe gezahlt. Station Kline liegt in der Richtung von Kolonie Beta; sie müssen schon Wochen – oder 148
Monate – vorher davon erfahren haben. Sie sind zu einem betanischen Auftragnehmer übergewechselt, der uns vermutlich unterbietet. Das Cay-Projekt ist erledigt. Es bleibt nichts übrig, als es abzuschließen und verdammt schnell hier abzuhauen, je eher, desto besser. Verdammt! Jetzt bin ich also in ein Verlustprojekt verwickelt. Wenn ich hier fertig bin, wird mir der Geruch eines Verlierers anhaften.«
»Abschließen, wie abschließen? Was meinen Sie mit ›abschließen‹?«
»Das Lieblingsszenario dieses Mistweibs Apmad. Ich wette, sie hat vor Vergnügen geschnurrt, als sie diese Anweisungen herausgab – die Quaddies haben ihr nervöses Herzklopfen verursacht, wissen Sie. Sie sollen sterilisiert und auf dem Planeten versteckt werden. Alle derzeitigen Schwangerschaften sollen abgebrochen werden – Mist, und wir haben gerade mit fünfzehn davon angefangen! Was für ein Fiasko. Ein Jahr meiner Karriere ist im Arsch.«
»Mein Gott, Bruce, Sie werden doch nicht etwa diese Anweisungen ausführen, oder?«
»So, nein? Dann schauen Sie mir einfach bloß zu.« Van Atta starrte ihn an und kaute an seiner Lippe. Leo spürte, wie er selbst in Spannung geriet, bleich vor unterdrückter Wut. Van Atta
schnaubte. »Was wollen Sie, Leo? Apmad hätte die Anweisung geben können, daß sie euthanasiert würden. Sie kommen glimpflich davon. Es hätte schlimmer kommen können.«
»Und wenn es so gekommen wäre – wenn sie befohlen hätte, die Quaddies zu töten –, hätten Sie das ausgeführt?«, fragte Leo mit vorgetäuschter Ruhe.
»Sie hat es nicht befohlen. Kommen Sie schon, Leo. Ich bin nicht unmenschlich. Sicher, die kleinen Dummerchen tun mir leid.
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Ich habe, verdammt noch mal, mein Bestes getan, um sie profitabel zu machen. Aber es gibt keine Möglichkeit, wie ich mich dagegen sträuben kann. Alles, was ich tun kann, ist die Abwicklung so schnell und sauber und schmerzlos wie möglich zu machen und die Verluste so gering wie möglich zu halten. Vielleicht wird irgend jemand in der Firmenhierarchie das zu schätzen wissen.«
»Schmerzlos für wen?«
»Für alle.« Van Atta wurde entschlossener und beugte sich mit einem finsteren Blick Leo entgegen. »Das bedeutet, daß ich keine Panik gebrauchen kann und keine wilden Gerüchte, hören Sie? Ich möchte, daß alles seinen gewohnten Gang geht, bis zur allerletzten Minute. Sie und alle anderen Lehrer werden weiter ihren Unterricht halten, so als ob die Quaddies wirklich zu einem Arbeitsprojekt hinausgeschickt würden, bis die Einrichtungen unten auf dem Planeten fertig sind und wir anfangen können, sie mit dem Shuttle hinabzufliegen. Vielleicht nehmen wir die Kleinen zuerst –
die wiederverwertbaren Teile des Habitats sollen im Orbit zur Transferstation gebracht werden, wir können vielleicht einige Kosten senken, wenn wir für diese Arbeit Quaddies verwenden.«
»Sie auf dem Planeten einzusperren …«
»Ach, werden Sie doch nicht melodramatisch. Die Quaddies
werden in einem völlig gewöhnlichen Wohnheim für Bohrarbeiter untergebracht, das erst vor sechs Monaten verlassen wurde, als das Ölfeld erschöpft war.« Van Attas Gesicht hellte sich etwas auf, weil er sich selber auf die Schulter klopfen konnte. »Ich habe es selbst
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