Vorkosigan 01 Die Quaddies von Cay Habitat
an den wilden Genen.«
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»Wer hat denn diesen Quatsch aufgebracht …?«, begann Leo und brach dann ab. »Ach, lassen wir’s.« Er konnte es sich schon vorstellen. Er schloß die Augen, massierte sie mit den Fingerspitzen und suchte den verlorenen Faden wiederzufinden. »Ja, richtig. Für Sie ist Silver also … ein Wegwerfprodukt. Wie ein Papiertaschentuch. Einmal reinschneuzen und dann wegwerfen.«
Ti blickte pikiert drein. »Geben Sie es auf, Graf. Ich bin nicht schlechter als alle anderen.«
»Aber ich gebe Ihnen eine Chance, besser zu sein, verstehen Sie das nicht …«
»Leo«, unterbrach Silver ihn erneut. Sie lag jetzt auf dem Bauch ausgestreckt auf dem Bett und hatte ihr Kinn linkisch in eine obere Hand gestützt. »Sobald wir zu unserem Asteroidengürtel gekommen sind – wo auch immer der sein mag –, was tun wir dann mit dem Supersprungschiff?«
»Dem Supersprungschiff?«
»Wir werden dann doch das Habitat davon abmontieren und es sicherlich wieder auseinanderfalten und weiter daran bauen – die Sprungeinheit würde einfach im Orbit parken. Können wir sie nicht Ti geben?«
»Was?«, sagten Leo und Ti wie aus einem Munde.
»Als Bezahlung. Er dirigiert für uns die Sprünge zu unserem Ziel und bekommt dafür das Sprungschiff. Dann kann er seiner Wege gehen und Pilot-Eigner werden, seine eigene Transportfirma aufmachen, wie es ihm gefällt.«
»In einem gestohlenen Schiff?«, schrie Ti auf.
»Wenn wir weit genug weg sind, so daß GalacTech uns nicht einholen kann, dann sind wir auch weit genug weg, daß GalacTech dich nicht einholen kann«, sagte Silver logisch. »Dann hast du ein Schiff, das zu deinem neuralen Implantat paßt, und 186
niemand wird dich je wieder entlassen können, weil du dann selbständig arbeitest.«
Leo biß sich auf die Zunge. Er hatte Silver ausdrücklich dazu mitgebracht, daß sie helfen sollte, Ti zu überreden – was machte es also aus, wenn sie nicht die Schmeicheleien sagte, die er sich vorgestellt hatte? Nach dem überraschten Ausdruck auf dem Gesicht des Piloten zu schließen, hatten sie endlich seinen roten Knopf entdeckt. Leo kniff die Augen zusammen und lächelte
Silver ermutigend zu.
»Außerdem«, fuhr sie fort und zwinkerte Leo zu, »wenn wir mit dem Habitat und allem Drum und Dran den Sprung von hier weg schaffen, dann wird Mr. Van Atta ganz schön blamiert zurückbleiben.« Sie ließ ihren Kopf wieder auf das Bett gleiten und lächelte Ti von der Seite her zu.
»Oh«, sagte Ti in einem Ton, der nach Erleuchtung klang,
»ah …«
»Haben Sie Ihr Gepäck schon beisammen?«, fragte Leo hilfreich.
»Da drüben«, Ti deutete mit einem Nicken auf einen Stapel
Gepäck in der Ecke. »Aber … aber … verdammt, wenn das schief geht, dann schlagen die mich ans Kreuz!«
»Ach«, sagte Leo. »Hier, schauen Sie …« Er öffnete seinen roten Overall am Hals und holte die Laserlötpistole heraus, die er in einer Innentasche versteckt hatte. »Ich habe an dem Ding die Sicherung entfernt; es schießt jetzt einen extrem starken Strahl über eine beträchtliche Entfernung, bis die Atmosphäre ihn auflöst –
sicher weiter als dieser Raum hier lang ist.« Er wedelte nachlässig damit herum; Ti duckte sich und riß die Augen auf. »Wenn wir verhaftet werden sollten, dann können Sie wahrheitsgemäß bezeugen, daß Sie von einem verrückten Ingenieur und seiner ver187
rückten Mutantenassistentin mit vorgehaltener Waffe entführt und zur Mitarbeit gezwungen wurden. Sie können zu einem Helden werden – so oder so.«
Die verrückte Mutantenassistentin lächelte Ti strahlend zu, ihre Augen funkelten wie Sterne.
»Sie … äh … würden dieses Ding da doch nicht wirklich abfeuern, oder?«, würgte Ti vorsichtig hervor.
»Natürlich nicht«, sagte Leo vergnügt und fletschte die Zähne.
Dann steckte er die Lötpistole weg.
»Ah.« Ti reagierte mit einem kurzen Zucken seines Mundes.
Aber seine Augen wanderten danach noch öfter zu der Ausbuchtung in Leos Overall.
Als sie wieder zu der Shuttleluke kamen, wo das Schubschiff angedockt lag, war Zara verschwunden.
»O Gott«, stöhnte Leo. War sie davongewandert? Verloren gegangen? Gewaltsam weggebracht worden? Eine verzweifelte Durchsuchung ergab, daß sie keine Nachricht auf dem Kommunikator zugerückgelassen hatte; nirgendwo war ein Zettel angepinnt.
»Pilotin, sie ist eine Pilotin«, überlegte Leo laut. »Gibt es etwas, das sie vielleicht erledigen mußte? Wir haben eine Menge Treibstoff – die
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