Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
bloßen Widerschein einer Disruptorenexplosion verbrannt worden war, der
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glücklicherweise aber nicht das subkutane Fett durchdrungen und keinen Schaden an der Muskelfunktion angerichtet hatte.
Vernünftigerweise hätte sie das wiederherstellen lassen sollen, bevor sie ihre Heimat verließ.
»Setzen Sie sich doch, Lady Vorkosigan«, Prinzessin Kareen klopfte auf den Platz neben sich auf dem Sofa, den der zukünftige Kaiser gerade freigegeben hatte. »Drou, bringen Sie bitte Gregor zu seinem Mittagstisch.«
Droushnakovi nickte verständnisvoll, als hätte sie mit dieser einfachen Bitte noch eine verschlüsselte Zusatzbotschaft erhalten, nahm den Jungen und ging mit ihm Hand in Hand hinaus. Seine Kinderstimme war noch zu hören: »Droushie,
kann ich ein Stück Sahnetorte haben? Und eins für Steggie?«
Cordelia setzte sich behutsam und dachte an Negris Berichte und an die barrayaranische Desinformation bezüglich ihrer gescheiterten Kampagne einer Invasion des Planeten Escobar.
Escobar, der gute Nachbar und Verbündete von Kolonie
Beta… Die Waffen, die Kronprinz Serg und sein Schiff hoch
Über Escobar ausgelöscht hatten, waren mutig durch die
barrayaranische Blockade hindurch eskortiert worden von
Captain Cordelia Naismith von der Betanischen
Expeditionsstreitmacht.
So viel Wahrheit war offenkundig und öffentlich, und man
müsste sich nicht dafür entschuldigen. Jedoch die geheime
Geschichte hinter der Szenerie im barrayaranischen
Oberkommando war so… verräterisch, ja, das war, entschied
Cordelia, das richtige Wort. Gefährlich, wie schlecht gelagerter Giftmüll.
Zu Cordelias Verwunderung lehnte sich Prinzessin Kareen
zu ihr herüber ergriff ihre rechte Hand, führte sie an die Lippen und küsste sie heftig.
»Ich habe geschworen«, sagte Kareen mit belegter Stimme,
»die Hand zu küssen, die Ges Vorrutyer erschlagen hat. Danke, 362
danke!« Ihr Atem ging heftig, sie kämpfte mit den Tränen, ihr Gesicht verriet Gefühle der Dankbarkeit. Sie setzte sich auf, ihr Gesichtsausdruck wurde wieder reserviert, und sie nickte. »Ich danke Ihnen. Segen über Sie!«
»Mmh …«, Cordelia rieb die Stelle auf ihrer Hand, die der
Kuss getroffen hätte, »mmh… ich… diese Ehre gehört einem
anderen, Mylady. Ich war zwar zugegen, als Admiral
Vorrutyers Kehle durchgeschnitten wurde, aber es geschah
nicht von meiner Hand.«
Kareens Hände ballten sich in ihrem Schoß zu Fäusten, und
ihre Augen glühten. »Dann war es Graf Vorkosigan!«
»Nein!« Cordelia presste ärgerlich ihre Lippen zusammen.
»Negri hätte ihnen die Wahrheit berichten sollen. Es war
Sergeant Bothari. Er rettete mein Leben bei dieser
Gelegenheit.«
»Bothari?« Kareen setzte sich in ihrer Überraschung
kerzengerade auf. »Bothari, das Monster? Bothari, Vorrutyers verrückter Offiziersbursche?«
»Es macht mir nichts aus, wenn ich an seiner Stelle als dafür verantwortlich gelte, Madame, denn wenn es öffentlich bekannt geworden wäre, so wäre man gezwungen gewesen, ihn wegen Mord und Meuterei hinzurichten, und auf diese Weise
kommt er ungeschoren davon. Aber ich… aber ich sollte ihm
nicht seinen Ruhm wegnehmen. Ich überlasse ihn ihm, wenn
Sie es wünschen, aber ich bin nicht sicher, ob er sich an den Vorfall erinnert. Er hat nach dem Krieg eine ziemlich drakonische Bewusstseinstherapie durchgemacht, bevor sie ihn entlassen haben. Was Ihr Barrayaraner so Therapie nennt« –auf gleichem Niveau mit ihrer Neurochirurgie, so argwöhnte sie –»und soviel ich weiß, war er vorher auch nicht gerade…
hm… normal.«
»Nein«, sagte Kareen, »das war er nicht. Ich dächte, er war Vorrutyers Kreatur.«
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»Er entschied … er entschied sich, anders zu sein. Ich
glaube, das war die heldenhafteste Tat, die ich je gesehen habe.
Mitten aus jenem Sumpf von Bosheit und Verrücktheit, zu
greifen nach ..,« Cordelia brach ab, es war ihr zu peinlich zu sagen: zu greifen nach Erlösung. Nach einer Pause fragte sie: »Geben Sie Admiral Vorrutyer die Schuld dafür, dass Prinz Serg… hm… verdorben wurde?« Solange sie die Atmosphäre
reinigten… Niemand erwähnt Prinz Serg. Er dachte, eine blutige Abkürzung zur Kaiserherrschafl zu nehmen, und jetzt ist er einfach… verschwunden.
»Ges Vorrutyer« – Kareens Hand zuckte – »fand in Serg
einen gleich gesinnten Freund. Einen schöpferischen
Gefolgsmann in seinen schändlichen Vergnügungen. Vielleicht war nicht… alles Vorrutyers Schuld. Ich weiß es
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