Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
Berges
herum, sodass sie sich gegen Mittag der Kraterseite fast genau von Westen näherten. Sie bahnten sich ihren Weg durch Wälder und Lichtungen zu einem Bergsporn, der sich gegenüber einer großen Mulde erhob und das letzte
Überbleibsel eines niedrigeren Bergrückens aus den Tagen vor einer urzeitlichen Vulkankatastrophe war. Vorkosigan robbte auf einen baumlosen Vorsprung hinaus und achtete darauf, sich nicht über dem hohen Gras zu zeigen. Dubauer, schwach und erschöpft, rollte sich in ihrem Versteck auf der Seite zusammen und schlief ein. Cordelia beobachtete ihn, bis sein Atem langsam und gleichmäßig war, dann kroch sie zu Vorkosigan hinaus. Der barrayaranische Kapitän hatte seinen Feldstecher in der Hand und suchte das dunstige grüne Amphitheater ab.
»Dort ist der Shuttle. Sie kampieren in den Höhlen des
Nachschublagers. Sehen Sie den dunklen Streifen neben dem
langen Wasserfall? Das ist der Eingang.« Er lieh ihr das
Fernglas für einen genaueren Blick.
»Oh, da kommt jemand heraus. Bei dieser starken
Vergrößerung kann man die Gesichter erkennen.«
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Vorkosigan nahm das Glas zurück. »Koudelka. Er ist in
Ordnung. Aber der hagere Mann bei ihm ist Darobey, einer von Radnovs Spionen in meiner Kommunikationsabteilung. Prägen Sie sich sein Gesicht ein – Sie werden wissen müssen, wann Sie Ihren Kopf gesenkt halten sollten.«
Cordelia fragte sich, ob Vorkosigans vergnügte Miene eine
künstliche Wirkung des Aufputschmittels war oder eine
primitive Vorwegnahme des Zusammenstoßes, der ihm
bevorstand. Seine Augen schienen zu funkeln, während er
beobachtete, zählte und rechnete.
Er zischte durch die Zähne, fast wie die hiesigen
Fleischfresser. »Da ist Radnov, bei Gott! Ich würde ihn gern in die Finger bekommen. Aber diesmal kann ich die Leute vom Ministerium vor Gericht bringen. Ich würde gerne sehen, wie sie versuchen, einen ihrer Lieblinge vor einer echten Anklage wegen Meuterei zu retten. Diesmal werden das Oberkommando und der Rat der Grafen auf meiner Seite sein.
Nein, Radnov, du wirst am Leben bleiben – und es bereuen.«
Er ließ sich auf Bauch und Ellbogen nieder und verschlang die Szene mit den Augen.
Plötzlich grinste er. »Diesmal hat sich mein Glück gewendet.
Da ist Gottyan, bewaffnet, also muss er die Führung innehaben.
Wir sind fast daheim. Kommen Sie.«
Sie krochen wieder in die Deckung der Bäume zurück.
Dubauer war nicht mehr dort, wo sie ihn zurückgelassen
hatten.
»O Gott«, keuchte Cordelia und spähte in allen Richtungen
ins Gestrüpp, »wo ist er bloß hin?«
»Er kann nicht weit gegangen sein«, versuchte Vorkosigan
sie zu beruhigen, obwohl er selbst besorgt dreinschaute. Jeder von beiden schlug einen Kreis von etwa hundert Metern durch den Wald. Idiotin!, schalt sich Cordelia wütend in ihrer Panik.
Du musstest ja gucken gehen… Sie trafen sich wieder am
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Ausgangsort, ohne dass sie eine Spur des herumirrenden
Fähnrichs gefunden hatten.
»Hören Sie, wir haben nicht die Zeit, um jetzt nach ihm zu suchen«, sagte Vorkosigan. »Sobald ich das Kommando zurückgewonnen habe, werde ich eine Patrouille ausschicken, die ihn suchen soll. Mit den passenden Suchferngläsern kann die ihn schneller finden als wir.«
Cordelia dachte an Fleischfresser, Klippen, tiefe Teiche,
barrayaranische Patrouillen mit zuckenden Fingern am Abzug.
»Wir sind doch so weit gekommen…«, begann sie.
»Und wenn ich nicht bald mein Kommando zurückgewinne,
dann wird sowieso keiner von uns überleben.«
Hin und her gerissen, aber schließlich der Vernunft
gehorchend, ließ sie zu, dass Vorkosigan sie am Arm nahm. Er stützte sich nur leicht auf sie und suchte einen Weg hinab durch die Wälder. Als sie sich dem Lager der Barrayaraner näherten, legte er einen Finger auf die Lippen.
»Gehen Sie so leise, wie Sie können. Ich bin nicht so weit gekommen, um von einem meiner eigenen Vorposten erschossen zu werden. Ah, legen Sie sich hier hin.« Er platzierte sie an einer Stelle hinter ein paar umgefallenen Baumstämmen und kniehohem Gestrüpp, von wo aus man undeutlich einen neuen Pfad überblicken konnte, der durchs Gebüsch geschlagen worden war.
»Sie gehen nicht einfach los und klopfen an die Vordertür?«
»Nein.«
»Warum nicht, wenn Ihr Gottyan in Ordnung ist?«
»Weil etwas anderes da nicht stimmt. Ich weiß nicht, warum diese Landungsgruppe hier ist.« Er überlegte einen Augenblick lang, dann gab er ihr den Betäuber zurück. »Wenn Sie eine
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