Vorkosigan 11 Spiegeltanz
tun werden, den Sicherheitsdienst zu Hilfe zu rufen!«
Die Gräfin grinste. »Sie leben, um zu dienen, sagen Sie doch in Ihrem Eid. Oder etwa nicht?«
»Wir werden sehen«, versetzte Illyan und schaltete ab.
»Was wird er tun?« fragte Mark besorgt.
»Ich vermute, er wird mich übergehen. Da ich ihn bei Aral schon ausgestochen habe, bleibt nur noch eine Möglichkeit übrig. Ich glaube, ich werde mir nicht die Mühe machen aufzustehen. Ich erwarte jeden Augenblick hier einen weiteren Anruf.«
Zerstreut versuchten Mark und Bothari-Jesek mit den Schiffsspezifikationen weiterzumachen. Mark schrak hoch, als der Kommunikator erneut summte.
Ein unbekannter junger Mann erschien, nickte der Gräfin zu und bemerkte: »Lady Vorkosigan. Kaiser Gregor«, und verschwand wieder. Statt seiner erschien Gregors nachdenkliches Gesicht.
»Guten Tag, Lady Cordelia. Sie sollten wirklich den armen Simon nicht so aufregen, wissen Sie.«
»Er hat es verdient«, sagte sie gleichmütig. »Ich gebe zu, ihn beschäftigt im Augenblick viel zuviel. Unterdrückte Panik macht ihn jedesmal ganz widerborstig, das ist so seine Art, anstatt im Kreis zu laufen und zu brüllen. Vermutlich seine Methode der Problembewältigung.«
»Während andere unter uns die Dinge bewältigen, indem sie überanalytisch werden«, murmelte Gregor. Die Lippen der Gräfin zuckten, und Mark glaubte plötzlich zu wissen, wer wohl den Barbier rasieren könnte.
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»Seine Sicherheitsbedenken sind legitim«, fuhr Gregor fort. »Ist dieses Jackson's-Whole-Unternehmen klug?«
»Eine Frage, die nur durch den empirischen Versuch beantwortet werden kann. Sozusagen. Ich räume ein, daß Simon ehrlich argumentiert. Aber – was ist Ihre Meinung, Majestät, wie Barrayars Interessen am besten gedient wird? Das ist die Frage, die Sie beantworten müssen.«
»Da bin ich gespalten.«
»Sind Sie in Ihrem Herzen gespalten?« Ihre Frage war eine Herausforderung. Sie öffnete die Hände, halb besänftigend, halb bittend. »Auf die eine oder andere Weise werden Sie sich für lange Zeit mit Lord Mark Vorkosigan beschäftigen müssen. Wenn diese Exkursion nichts anderes bringt, so wird sie doch die Gültigkeit aller Zweifel prüfen. Wenn sie nicht geprüft werden, werden sie euch immer bleiben, ein wunder Punkt, der nicht beantwortet wird.
Und das ist Mark gegenüber nicht fair.«
»Wie außerordentlich wissenschaftlich«, flüsterte Gregor. Sie schauten einander gleich nüchtern an.
»Ich dachte, das würde vielleicht bei Ihnen Anklang finden.«
»Ist Lord Mark bei Ihnen?«
»Ja«, sagte die Gräfin mit einer Geste zur Seite.
Mark bewegte sich in den Aufnahmebereich der Vid-Kamera.
»Majestät.«
»Also, Lord Mark.« Gregor musterte ihn ernst. »Es scheint, deine Mutter will, daß ich dir genug Handlungsfreiheit gebe, damit du dich ins Unglück stürzen kannst.«
Mark schluckte. »Ja, Majestät.«
»Oder dich selbst retten …« Gregor nickte. »So sei's denn. Viel Glück und gute Jagd.«
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»Danke, Majestät.«
Gregor lächelte und schaltete ab.
Illyan meldete sich nicht mehr bei ihnen.
Am Nachmittag nahm die Gräfin Mark mit sich zu ihrem täglichen Besuch ins Kaiserliche Militärkrankenhaus. Seit dem Kollaps des Grafen hatte Mark diesen Gang schon zweimal zuvor in ihrer Gesellschaft unternommen. Er drängte sich nicht sonderlich danach. Zum einen roch der Ort viel zu sehr wie die Kliniken, die aus seiner Jugend auf Jackson's Whole eine Tortur gemacht hatten; er entdeckte, daß er sich an Details früher Operationen und Behandlungen erinnerte, von denen er gemeint hatte, er habe sie schon längst vergessen. Zum anderen erschreckte der Graf Mark immer noch. Selbst im Bett liegend war seine Persönlichkeit so machtvoll, wie sein Leben bedroht war, und Mark war sich nicht sicher, welcher der beiden Aspekte ihm mehr Schrecken einjagte.
Im Krankenhauskorridor vor dem bewachten Zimmer des Premierministers verlangsamte sich sein Schritt. Unentschlossen und elend stand er da. Die Gräfin blickte zu ihm zurück und blieb stehen. »Ja?«
»Ich … will wirklich nicht hineingehen.«
Sie runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich werde dich nicht zwingen. Aber ich werde dir etwas vorhersagen.«
»Sprich weiter, o Seherin.«
»Du wirst es nie bereuen, wenn du hineingehst. Aber vielleicht wirst du es tief bereuen, wenn du nicht hineingehst.«
Mark verdaute die Vorhersage. »In Ordnung«, sagte er schwach und folgte ihr.
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Auf Zehenspitzen gingen sie ruhig über die
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