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Vorkosigan 11 Spiegeltanz

Vorkosigan 11 Spiegeltanz

Titel: Vorkosigan 11 Spiegeltanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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sich beruhen lassen können. Ihr Schuldgefühl würde sie immer wieder darauf stoßen, und sie würden mich immer wieder darauf stoßen. Ich möchte nicht für den Rest meines Lebens in meinem Kopf oder in ihren Köpfen gegen Ry Ryoval kämpfen müssen. Er ist tot, ich bin's nicht, das reicht. Basta.«
    Er hielt inne und schnaubte. »Und du mußt zugeben, es wäre besonders schlecht für Miles.«
    »O ja«, hauchte Bothari-Jesek zustimmend.
    Draußen startete, von Sergeantin Taura gesteuert, das Personenshuttle der Dendarii mit der ersten Ladung Duronas zu Marks Jacht im Orbit. Er schwieg und beobachtete, wie es aus seinem Blickfeld emporstieg. Ja. Fliegt weg, fliegt weg. Verlaßt dieses 678
    Loch, ihr, ich, all unsere Klons. Für immer. Und werdet zu Menschen, wenn ihr könnt. Wenn ich kann.
    Bothari-Jesek schaute wieder zu ihm her und sagte:
    »Man wird auf einer körperlichen Untersuchung bestehen, weißt du.«
    »Ja, sie werden einiges sehen. Ich kann die Prügel nicht verheimlichen, und Gott weiß, ich kann die Zwangsernährung nicht verheimlichen – war sie nicht grotesk?«
    Sie schluckte und nickte. »Ich dachte, du würdest – ach, laß nur.«
    »Ganz recht. Ich hatte dir gesagt, du solltest sie nicht anschauen.
    Aber je länger ich die Untersuchung durch einen kompetenten Arzt des Sicherheitsdienstes vermeiden kann, um so vager kann ich mich über das übrige äußern.«
    »Du mußt sicher behandelt werden.«
    »Lilly Durona hat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Und auf meinen Wunsch hin befinden sich die einzigen Aufzeichnungen in ihrem Kopf. Ich müßte eigentlich so durchschlüpfen können.«
    »Versuche nicht, der Untersuchung insgesamt aus dem Weg zu gehen«, riet Bothari-Jesek. »Die Gräfin würde draufkommen, auch wenn sonst niemand etwas merkt. Und ich glaube, du brauchst …
    etwas mehr. Nicht nur körperlich.«
    »O Elena. Wenn ich etwas in der vergangenen Woche gelernt habe, dann, wie schlecht verdrahtet ich wirklich bin, auf dem Grund meines Hirns. Das Schlimmste, dem ich in Ryovals Keller begegnet bin, war das Monstrum im Spiegel, in Ryovals psychischem Spiegel. Mein Lieblingsmonstrum, das vierköpfige.
    Nachweislich schlimmer als sogar Ryoval selbst. Stärker.
    Schneller. Schlauer.« Er biß sich auf die Zunge, da er sich bewußt wurde, daß er anfing, viel zuviel zu erzählen und daß seine Worte klangen, als würde er in den Wahnsinn abgleiten. Er glaubte nicht, 679
    daß er in den Wahnsinn abglitt. Er hatte den Verdacht, daß er sich
    – auf einem langen Umweg – geistiger Gesundheit näherte. Auf einem schweren Weg. »Ich weiß, was ich tue. Auf einer gewissen Ebene weiß ich genau, was ich tue.«
    »In einigen der Vids – da sah es so aus, als würdest du Ryoval mit einer vorgespielten gespaltenen Persönlichkeit zum Narren halten.
    Als du mit dir selbst sprachst …?«
    »Ich hätte nie Ryoval mit irgend etwas Vorgespieltem zum Narren halten können. Er war seit Jahrzehnten in diesem Geschäft und hat auf dem Grund der Gehirne vieler Leute herumgepfuscht.
    Aber meine Persönlichkeit war eigentlich nicht gespalten. Eher …
    umgedreht.« Nichts konnte man gespalten nennen, was sich so zutiefst ganz anfühlte. »Es war nicht etwas, bei dem ich beschloß, es zu tun. Es war einfach etwas, das ich tat.«
    Sie schaute ihn mit äußerster Besorgnis an. Er mußte laut auflachen. Aber seine gute Laune wirkte auf sie nicht so beruhigend, wie er es sich vielleicht gewünscht hätte.
    »Du mußt verstehen«, sagte er, »manchmal ist Verrücktheit keine Tragödie. Manchmal ist sie eine Strategie zum Überleben.
    Manchmal … ist sie ein Triumph.« Er zögerte. »Weißt du, was eine Schwarze Bande ist?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    »Ich bin einmal in einem Museum in London darauf gestoßen.
    Damals, im 19. und 20. Jahrhundert hatte man auf der Erde Schiffe, die mit Dampfmaschinen angetrieben die Ozeane überquerten. Die Hitze für die Dampfmaschinen kam von großen Kohlefeuern im Bauch der Schiffe. Und man brauchte dort unten diese Trottel, die die Kohle in die Öfen schaufelten. Dort drunten im Dreck und der Hitze und dem Schweiß und dem Gestank. Von der Kohle wurden sie schwarz, deshalb nannte man sie die Schwarze Bande. Und die 680
    Offiziere und die schönen Damen oben an Deck wollten gesellschaftlich mit diesen armen, miserablen Burschen nichts zu tun haben. Aber ohne sie hätte sich nichts bewegt. Nichts hätte gebrannt, nichts hätte gelebt. Ohne sie hätte es keinen Dampf gegeben.

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