Vorsicht, frisch verliebt
schlichen, ein Zimmer teilten, und Jeremy spielte noch unten am Computer.
Harry und Tracy waren seit ihrem Streit am Nachmittag nicht mehr allein gewesen, und auch jetzt wollte er in seiner Verwirrung nicht mit ihr allein sein. Doch oft konnte man nicht immer, wie man wollte ...
Sie kam in den Flur zurück, schloss leise hinter sich die Tür und presste ihren Rücken fest gegen die Wand - etwas, was sie gewohnheitsmäßig gegen Ende ihrer Schwangerschaften machte, damit der Druck ein wenig nachließ. Während sie mit den anderen Kindern schwanger gewesen war, hatte er sie fürsorglich massiert, nicht jedoch bei diesem.
Die Last seines schlechten Gewissens nahm unentwegt zu.
Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. Anstelle des kessen, allzu selbstbewussten, reichen Mädchens, das sein Leben vor zwölf Jahren so völlig umgekrempelt hatte, war sie inzwischen eine reife, schöne, wenn auch gequält blickende Frau. »Was sollen wir jetzt machen?«, flüsterte sie leise.
Was willst du jetzt machen?, hätte er sie am liebsten verbessert. Sie war diejenige, die ihn verlassen hatte. Sie war diejenige, die pausenlos unzufrieden war. Er nahm seine Brille von der Nase und rieb sich die Augen. »Ich weiß es nicht.«
»Wir können nicht mehr miteinander reden.«
»Doch.«
»Nein, wir tauschen nur noch Beleidigungen aus.«
So sah er es nicht. Sie war diejenige mit der spitzen Zunge und dem hitzigen Gemüt. Er selbst versuchte lediglich, sich vor ihren Angriffen zu schützen. »Ich habe dich noch nie beleidigt.« Er setzte seine Brille wieder auf.
»Natürlich nicht.«
Sie sagte es in völlig ruhigem Ton, doch der Knoten in seinem Inneren zog sich noch stärker zusammen. »Ich denke, das, was heute Nachmittag passiert ist, sollte uns die Augen dafür öffnen, dass mit Beleidigungen niemandem gedient ist.«
Trotz seiner guten Absicht hatte seine Stimme einen vorwurfsvollen Klang, und er machte sich auf eine scharfe Erwiderung gefasst, doch sie schloss lediglich die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand. »Ja, das denke ich auch.«
Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und gebeten, endlich wieder die alte Tracy zu sein, doch sie hatte sich entschieden, und keines seiner bisherigen Worte hatte sie dazu bewogen, es sich noch mal zu überlegen. Wenn er sie nicht dazu brachte, dass sie ihn verstand, hätten sie nicht den Hauch einer Chance. »Das, was heute passiert ist, belegt die Richtigkeit dessen, was ich seit meiner Ankunft hier wiederholt gesagt habe. Wir müssen uns am Riemen reißen. Ich denke, das ist uns beiden klar. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir uns am Riemen reißen und tun, was wir tun müssen.«
»Und das wäre?«
Sie schien es ehrlich nicht zu wissen. Wie konnte sie so blind sein? Er versuchte, seinen Ärger darüber zu verbergen. »Wir müssen endlich anfangen, uns wie Erwachsene zu benehmen.«
»Du tust das doch. Ich bin diejenige, die damit offensichtlich Schwierigkeiten hat.«
Es stimmte - es war genau das, was er ihr schon seit Wochen hatte deutlich machen wollen -, doch ihre unglückliche Miene zerriss ihm regelrecht das Herz. Er suchte nach den richtigen Worten, doch zu viele Gefühle standen ihm im Weg. Tracy lebte ihre Gefühle aus, wann immer sie es für nötig hielt, Harry jedoch nicht. Er hatte nie die Vorteile, sondern stets nur die Nachteile allzu großer Emotionalität gesehen.
Erneut schloss sie kurz die Augen und bat mit leiser Stimme: »Sag mir etwas, was ich tun kann, damit du glücklich wirst.«
»Sei endlich einmal realistisch! Ehen machen nun mal Veränderungen durch. Wir selber haben uns verändert. Wir werden älter, und das Leben fordert seinen Preis. Es kann nicht so bleiben wie am Anfang, also solltest du das auch gar nicht erst erwarten. Sei zufrieden mit den Dingen, die wir haben.«
»Ist es das, worauf es am Ende hinausläuft? Dass man sich mit den Dingen arrangiert?«
All das gefühlsmäßige Wirrwarr, das er zurzeit empfand, konzentrierte sich in seinem Magen. »Wir müssen realistisch sein. Eine Ehe kann nicht nur aus Mondschein, Rosen und Kerzenlicht bestehet. Das bedeutet aber nicht, dass man sich leidlich mit allem arrangiert.«
»Für mich schon.« Mit fliegenden Haaren stieß sie sich von der Wand ab. »Für mich hieße das, sich damit abzufinden, dass unser gemeinsames Glück vorbei ist. Und dazu bin ich nicht bereit. Ich gebe diese Ehe bestimmt nicht kampflos auf. Ich werde darum kämpfen, selbst wenn von uns beiden nur ich genügend Mut besitze,
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