Vorsicht, frisch verliebt
alter Blätter und gab sie in den Korb.
»Sie sind wirklich gut«, sagte Giulia so leise, wie sie seit Beginn der Suche mit ihr sprach. Steinpilze oder porcini waren kostbar, und die Suche danach war eine geheime Operation. Ihr Korb hatte sogar einen Deckel, damit niemand, den sie zufällig träfen, ihren Schatz entdeckte, obgleich bereits ihr Aufzug ihre Mission jedem verriet. Zum vierten Mal in vier Minuten gähnte Giulia herzhaft.
»Ist es für Sie vielleicht noch etwas früh?«, fragte Isabel mitfühlend.
»Ich musste Vittorio gestern Abend in Montepulciano und vorgestern Abend in Pienza treffen, und beide Male war ich erst sehr spät zurück.«
»Treffen Sie ihn regelmäßig, wenn er mit Kunden unterwegs ist?«
Giulia stocherte in dem Unkraut, das bereits von ihr durchforstet worden war. »Manchmal. An bestimmten Abenden.«
Was auch immer das hieß.
Da es beinahe zehn war, kehrten sie zu Isabels Bauernhaus zurück und wechselten sich beim Tragen des schweren Korbes ab. Auch die Dorfbewohner tauchten nacheinander auf, und Ren stand bereits im Garten und inspizierte die Mauer etwas genauer. An ihm wirkten selbst die staubbedeckten Stiefel, die abgewetzten Jeans und das verwaschene T-Shirt richtiggehend elegant. Als er sie entdeckte, vertrieb sein warmes Lächeln die letzte morgendliche Kälte, und als er den Korb in ihrer Hand musterte, nickte er zufrieden. »Warum stelle ich eure Beute nicht an einer sicheren Stelle ab?«
»O nein, das tust du nicht.«
Doch ihre Widerrede kam zu spät. Er hatte Giulia den Korb bereits entwendet und trug ihn gut gelaunt ins Haus.
»Schnell.« Sie packte Giulia am Arm und zog sie mit sich in die Küche. »Gib den Korb sofort zurück. Dir ist nicht zu trauen.«
»Du verletzt meine Gefühle.« Sein Blick war so unschuldig wie der eines achtjährigen messdienenden Knaben. »Und das, obwohl ich gerade den Vorschlag machen wollte, heute Abend für uns vier zu kochen. Nichts, was mit viel Aufwand verbunden wäre. Als Vorspeise ein paar geschwenkte Steinpilze auf gerösteten Crostini. Dann vielleicht Spaghetti al porcino - in einer leichten Sauce, total einfach. Ich schwenke die Pilze in Olivenöl und Knoblauch und gebe am Schluss noch etwas frische Petersilie hinzu. Die größeren porcini könnten wir grillen und mit einem Arugula- Salat verspeisen. Wenn euch mein Vorschlag jedoch irgendwie anmaßend erscheint...«
»Keineswegs!« Giulia hüpfte wie ein kleines Mädchen in der Küche auf und ab. »Vittorio ist heute Abend zu Hause. Ich weiß, dass die Reihe an uns ist, Sie beide zu bekochen. Aber Sie kochen einfach besser, und deshalb nehme ich die Einladung auch im Namen meines Mannes jetzt schon dankbar an.«
»Gut. Wir erwarten Sie um acht.« Die porcini verschwanden in der Vorratskammer, und zufrieden kehrte Giulia zurück in den Garten, um ein paar Freunde zu begrüßen.
Ren warf einen Blick auf seine Uhr, zog gebieterisch eine seiner Brauen in die Höhe und wies arrogant mit dem Daumen Richtung Decke. »Du. Nach oben. Jetzt. Und zwar möglichst dalli-dalli.«
Er war nicht der Einzige, der wusste, wie man sich am besten amüsierte. Sie gähnte ausgiebig. »O nein, ich glaube nicht.«
»Scheint, als müsste ich Gewalt anwenden.«
»Ich wusste, dass dies ein schöner Tag wird.«
Lachend zog er sie ins Wohnzimmer, presste sie dort gegen die Wand und küsste sie, bis sie erstickt nach Luft rang. Viel zu schnell jedoch rief Giulia aus der Küche, und sie rissen sich, wenn auch äußerst widerwillig, voneinander los.
Bei der Arbeit rangen die Leute immer wieder die Hände und erklärten in dramatischem Tonfall, was für eine unendliche Erleichterung es wäre, das von Paolo versteckte Geld zu finden und nicht länger in Todesangst zu leben.
Noch während Isabel sich fragte, ob es möglich wäre, dass ein ganzer Ort einen Oscar für die schauspielerischen Leistungen seiner Bewohner gewann, kam Tracy zusammen mit Marta und Connor in das Bauernhaus. Harry tauchte eine halbe Stunde später mit den anderen Kindern auf. Er wirkte deprimiert und übermüdet, und Isabel war überrascht, als Ren zu ihm hinüberging und sich nahezu freundlich mit ihm unterhielt.
Steffie blieb die ganze Zeit an der Seite ihres Vaters. Nur einmal ging sie kurz zu Ren, der, obgleich er sich ständig über die Kinder beschwerte, augenscheinlich Gefallen an der Gesellschaft fand. Möglicherweise hatte der Zwischenfall vom Vortag ja seine Sichtweise verändert. Er ging sogar in die Hocke, um mit
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