Vorsicht, frisch verliebt
diktiert hatte, keineswegs gefielen. Nicht, dass er eine ernsthafte gefühlsmäßige Bindung zu ihr wollte - das ganz sicher nicht -, aber musste sie die Sache so kaltblütig angehen? Dann war da noch das Thema Kaspar Street. Es hatte ihr schon nicht gefallen, dass er junge Frauen abmurkste. Was würde sie also erst sagen, wenn sie herausfand, dass es jetzt nicht mehr um Frauen ging, sondern um kleine Mädchen?
Endlich schaffte er es, sie von der Villa fortzulocken, indem er ihr erklärte, dass er bis auf die Haut durchnässt war, dass er wie ein Schneider fror und Hunger hatte wie ein Wolf. Das weckte, wie von ihm erhofft, ihre weiblichen Instinkte, und innerhalb einer Stunde hielt er sie tatsächlich abermals in den Armen.
»Seid ihr böse auf mich?«, flüsterte Steffie mit erstickter Stimme.
Harry hatte einen Kloß im Hals von der Größe Rhode Islands. Da er deshalb nicht sprechen konnte, strich er ihr die Haare aus der Stirn und schüttelte den Kopf. Sie hatte gebadet, trug ihr blaues Lieblingsnachthemd und lag mit ihrem ältesten Teddy zusammengerollt im Bett. Er erinnerte sich daran, wie sie als kleines Mädchen mit ausgestreckten Ärmchen auf ihn zugewackelt war. Unter der dicken Decke wirkte sie so klein und so unendlich kostbar.
»Wir sind dir bestimmt nicht böse«, erklärte Tracy, die auf der anderen Seite des Bettes stand. »Aber wir haben uns noch nicht ganz von dem Schrecken erholt.«
»Ren hat gesagt, dass er mich, wenn ihr mich in einen Kerker werft, heimlich mit Schokoriegeln versorgt.«
»Was für ein mutiger und verrückter Kerl.« Tracy strich die Decke glatt. Ihr Make-up hatte sich bereits vor einer halben Ewigkeit verflüchtigt, aber trotz der dunklen Ringe, die sie um die Augen hatte, hatte Harry in seinem ganzen Leben keine andere auch nur halb so schöne Frau gesehen.
»Tut mir Leid, dass ich euch einen solchen Schreck eingejagt habt.«
Tracy musterte sie nun streng. »Das hast du vorhin schon gesagt. Aber trotzdem hast du morgen Vormittag Zimmerarrest.«
Tracy war aus härterem Holz geschnitzt als Harry. Er hätte die Bestrafung am liebsten vergessen. Aber schließlich war Steffie auch nicht ihrer Mutter, sondern seinetwegen fortgelaufen. Er war niedergeschlagen und desorientiert. Zugleich jedoch empfand er einen gewissen Zorn. Weshalb war plötzlich er allein an allem schuld?
»Den ganzen Morgen?« Steffie wirkte so klein und elend, dass er beinahe spontan die von Tracy ausgesprochene Strafe aufgehoben und ihr stattdessen einen Besuch im Eiscafé versprochen hätte.
»Den ganzen Morgen«, erklärte seine Frau in strengem Ton.
Steffie konzentrierte sich, und plötzlich fing ihre Unterlippe an zu zittern. »Ich weiß, ich hätte nicht weglaufen sollen. Aber ich war so traurig, als du und Papa miteinander gestritten habt.«
Harrys Magen verknotete sich, und Tracy runzelte die Stirn. »Halb elf.«
Steffies Lippe hörte auf zu beben, und sie stieß einen ihrer ach-so-erwachsenen Seufzer aus, über die ihr Vater für gewöhnlich stets lachte. »Ich schätze, es hätte noch schlimmer kommen können.«
Tracy wickelte sich eine Haarsträhne ihrer Tochter um den Finger. »Allerdings, das hätte es. Der einzige Grund, weshalb wir dich nicht in einen feuchten, dunklen Kerker sperren, wie von Ren befürchtet, sind deine Allergien.«
»Und meine Angst vor Spinnen.«
»Ja, auch die.« Tracys Stimme klang belegt, und Harry wusste, dass sie dasselbe dachte wie er. Ihre Eltern vereint zu wissen war für Steffie derart wichtig, dass sie bereit war, sich der Erfüllung dieses Wunsches wegen ihrer größten Angst zu stellen. Seine Tochter war mutiger als er.
Tracy beugte sich zu ihr hinab, um sie zu küssen, und umklammerte dabei ihres Bauches wegen haltsuchend das Kopfbrett. Lange verharrte sie in dieser Stellung, hielt die Augen geschlossen und schmiegte ihr Gesicht an Steffies Wange. »Ich liebe dich so sehr. Versprich mir, dass du nie wieder etwas Derartiges tust.«
»Versprochen.«
Endlich fand auch Harry seine Stimme wieder. »Und versprich mir, dass du, wenn du das nächste Mal unglücklich bist, mit uns darüber sprichst.«
»Selbst wenn es eure Gefühle verletzt, richtig?«
»Ja, selbst dann.«
Sie schob sich ihren Bären dicht unter das Kinn. »Fährst du ... immer noch morgen weg?«
Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte, und so schüttelte er schweigend den Kopf.
Tracy ging, um nach Connor und Brittany zu sehen, die sich, bis sie nachts erwachten und zu ihrem Vater
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