Vorsicht, frisch verliebt
fransenbesetzten, mit winzigen goldenen Sternen übersäten schwarzen Tuch.
Gerade als sie den Katzen etwas zu fressen gab, vernahm sie hinter sich eine Bewegung. Mit pochendem Herzen drehte sie sich um und entdeckte in der Tür einen verschreckten Intellektuellen. Mit seinen zerzausten Haaren, der drahtgestellbewehrten Brille, dem sauberen, leicht zerknitterten Hemd, der abgetragenen, khakibraunen Hose und dem über eine Schulter gehängten Rucksack sah er aus wie Rens poetisch angehauchter kleiner Bruder.
Sie lächelte verschmitzt. »Ich hatte mich schon gefragt, mit wem ich heute Abend ausgehen würde.«
Er musterte ihre dezente Kleidung und erklärte seufzend: »Ich wusste, dass ich auf einen Minirock nicht hoffen dürfte.«
Draußen sah sie hinter ihrem Panda seinen silberfarbenen Alfa-Romeo. »Woher hast du denn den?«
»Die Reparatur des Maserati wird noch eine Weile dauern, also habe ich mir als Notbehelf den hier gekauft.«
»Für gewöhnlich kaufen Leute als Notbehelf so etwas wie Schokoriegel und nicht gleich ganze Autos.«
»Nur Leute wie du.«
San Gimignano lag auf einem Hügel, und die vier Wachtürme des Städtchens hoben sich dramatisch vom sonnenroten Abendhimmel ab. Isabel versuchte sich vorzustellen, was die Pilger auf dem Weg von Nordeuropa Richtung Rom beim ersten Anblick der Festung empfunden haben mochten. Nach den Gefahren, denen sie auf offener Straße ausgeliefert gewesen waren, hatte die Stadt mit ihrer dicken Mauer bestimmt wie ein Hafen der Stärke und Sicherheit auf sie gewirkt.
Rens Gedanken hatten offenbar eine ähnliche Richtung genommen, denn er sagte: »Eigentlich müssten wir den Rest des Weges laufen.«
»Ich glaube nicht, dass die Absätze meiner Schuhe für Pilgerreisen entworfen worden sind.. Aber es ist wirklich wunderschön.«
»Die am besten erhaltene mittelalterliche Stadt der gesamten Toskana. Für den Fall, dass du keine Zeit gefunden hast, in deinen Touristenführern zu lesen, kann ich dir sagen, dass das eigentlich nur einem glücklichen Zufall zu verdanken ist.«
»Was willst du damit sagen?«
»San Gimignano war eine bedeutende Stadt, bis der schwarze Tod einen Großteil der Bevölkerung dahingerafft hat.«
»Genau wie oben auf der Burg.«
»Ohne Antibiotika eindeutig eine schwere Zeit. San Gimignano verlor seine Bedeutung als Zwischenstation für die Pilger und begann langsam, aber sicher zu verarmen. Glücklicherweise hatten die wenigen Bewohner des Städtchens, die von der Pest verschont geblieben waren, nicht genügend Geld, um irgendwelche Erneuerungen vorzunehmen, weshalb noch so viele der alten Wachtürme überhaupt stehen. Teile des Films Tee mit Mussolini wurden hier gedreht.« Ein Reisebus kam ihnen entgegen. »Das hier ist der moderne schwarze Tod«, erklärte Ren. »Horden von Touristen. Aber die Stadt ist so klein, dass die wenigsten von ihnen auch dort übernachten. Anna meinte, ab dem späten Nachmittag wäre man dort fast allein.«
»Dann hast du also noch einmal mit ihr geredet?«
»Ich habe ihr erlaubt, die Mauer morgen abreißen zu lassen, aber nur, wenn ich dabei bin, um die Arbeiten zu überwachen.«
»Ich wette, das hat ihr nicht gefallen.«
»Meinst du, das würde mich interessieren? Ich habe Jeremy, solange ich nicht da bin, als Wachposten abkommandiert.«
Ren stellte den Wagen auf dem Parkplatz außerhalb der Mauern ab und schlang sich erneut den Rucksack um eine seiner Schultern. Auch wenn die Verkleidung des furchtsamen Intellektuellen nicht so viel von ihm versteckte wie seine anderen Kostüme, blieb er auf dem Weg durch die engen Gassen doch vor den Avancen neugieriger Fans verschont.
Er erzählte ihr, was er über die Fresken in der romanischen Kirche aus dem zwölften Jahrhundert wusste, zeigte sich, als sie sich begeistert in den kleinen Läden umsah, bemerkenswert geduldig, führte sie die schmalen, hügeligen Straßen hinauf zur Rocca, der jahrhundertealten Festung, erklomm dort einen Turm, blickte über die im letzten Licht der Sonne glühenden Felder und Hügel in Richtung der Weinberge und meinte: »Dort unten wachsen die Trauben für den hiesigen Weißwein, den Vernaccia. Was meinst du? Sollen wir ein Gläschen davon zum Abendessen und zu der Unterhaltung trinken, auf die du so erpicht bist?«
Unter seinem Lächeln begann ihre Haut zu prickeln. Beinahe hätte sie gesagt, er solle den Wein und das Gespräch vergessen und sich stattdessen einfach auf sie stürzen. Doch sie war zu verletzt, um weitere
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