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Vorsicht, Zickenzone

Vorsicht, Zickenzone

Titel: Vorsicht, Zickenzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Koller , Claudia Rieß
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Zukunft der großen Sache und schießt bei unpopulären Lösungsvorschlägen oder weil man einfach Dampf ablassen muss, auf alle und besonders scharf. Da lässt sich nicht einfach drüber schlafen und am nächsten Tag ist wieder alles fein. Nein, nein, nein, nein, nein.
    Die Oase der Gemeinschaft ist zerstört. Hat man früher, wenn mal eine Erzieherin krank war und man als Mutter einspringen musste, gesagt, blöd, aber: »Yo, wir schaffen das!« ist es nun ein sinkendes Schiff. Vertrauen in die Initiative – das muss sich dann erst wieder langsam aufbauen. Fast ein halbes Jahr dauerte das in der Regel, und man kann nur hoffen, dass, bevor man wild um sich schlägt, in Zukunft vorher offen kommuniziert: Hier geht es nicht um Ich-bin-so-toll-und-bekomme-das-schon-Gewuppt. Hier geht es um die Gemeinschaft. Keiner von uns ist Superwoman und Superman! Und in Notfällen muss man einfach zu unkonventionellen Lösungen greifen – wer sagt denn, dass nur der Vorstand das stemmen muss? Eine Elterninitiative ist keine Leistungs-, keine Wer-bringt-sich-am-besten-ein-Show. Es ist ein Miteinander, oder?

Hygiene
    S ie hatten sicherlich auch eines dieser kleinen Fläschchen gekauft und neben Pflaster und Feuchttüchern in der Seitentasche Ihrer Handtasche ver staut? Bei mir war das jedenfalls so, als Vogelgrippe zur Hys terie wurde und »Hygiene« zum Brandthema. Davon be richtete mir auch Simone. In ihrer Elterninitiative wechselte eine jung-dynamische Apothekerin in den Vorstand und nahm sich des Ganzen generalstabsmäßig an. An jedem Waschbecken wurden zwei Behälter mit Hebelmechanismus befestigt. So wie im Krankenhaus. Einer mit Klinikseife, der andere mit Desinfektionsmittel. Ein entsprechendes Infoblatt inklusive Waschanleitung klärte die unbeleckten Eltern auf. »Wir konnten von Glück sagen, dass sie keine Quarantäne-Station einrichtete«, witzelte Simone, »angestachelt von gruseligen Endzeit-Blockbustern.«
    Mein Sohn begann in dieser Zeit zwar, sich in die Ellenbogenbeuge zu niesen, wie er es im Kindergarten gelernt hatte, aber weiter reichte der Spuk bei uns nicht. Wir wurden nicht darüber aufgeklärt: »Nach Auftragen der Seife Fingerkuppen in Kreisbewegung in den Handflächen reiben, damit auch der Bereich unter den Fingernägeln desinfiziert wird.«
    Noch lustiger wurde es bei Simone (die Eltern oder Insassen dieser Initiative fanden das alles andere als spaßig), als die Großreinemachen-Wochenenden (in Bayern auch »Ramadama« genannt) unter der Ägide der beflissenen Apothekerin neu definiert wurden. Die Eltern, die an diesen Wochenenden im Frühling und Herbst die Einrichtung gemeinsam (wegen des sozialen Miteinanders) putzten, fanden sich in Arbeitsmodulen wieder. Neu auch: drei verschiedenfarbige Putzlappen. Der blaue Lappen – erfuhr die elterliche Putzkolonne in einem Infoblatt – wäre mit dem Allzweckputzmittel für die Küche zu nutzen, der gelbe Lappen mit dem Sanitärreiniger in Bad und WC, der weiße Lappen für Holzstühle und Tische.
    Die Eltern nahmen es hin. »Den Top-Organisierten, die von ihrem Job her strukturiert arbeiteten, wie Banker, Juristen oder Unternehmer, fiel es nicht schwer«, erzählt Simone. »Die Kreativen – Künstler, Schreiber, Architekten – aber haben sich an diesem Wochenende emotional von ihrem Kindergarten verabschiedet.« Schließlich, so Simone, freute man sich auf diese Wochenenden, auf den Ratsch, den Spaß, das Essen, das immer jemand mitbrachte. So war es nur noch Anrücken, Desinfizieren, Weggehen. Das hat dem Kindergarten die Seele genommen. Denn – das sei an dieser Stelle auch erwähnt – es war nicht irgendeine Elterninitiative, sondern eine mit Montessori-Pädagogik. Bei dieser Reglementierung hat sich Maria Montessori vermutlich im Grab umgedreht, sieht ihre Methode doch vor, offen, frei und experimentell zu spielen und lernen.
    Mit dem Argument der Gemeinschaft, dass dies ein zu starker Eingriff in die Privatsphäre wäre, konnte der Vorschlag der Apothekerin, »kollektiv zu impfen«, immerhin abgewendet werden. An einem Spezial-Elternabend nur zu diesem Thema sollte darüber abgestimmt werden. Und auch wenn die Mehrheit sich dafür aussprach, fehlte der Einheitsbeschluss. »Dann wurde halt getuschelt, wenn es wieder eine Masern-Epidemie gab oder die Streptokokken umgingen. Klar kann ich

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