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Vorsicht, Zickenzone

Vorsicht, Zickenzone

Titel: Vorsicht, Zickenzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Koller , Claudia Rieß
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wird beim Logopäden angemeldet. Und wer mit fünf noch ins Bett macht, wird zur Reittherapie geschickt. Es gibt keine Toleranz mehr gegenüber Kindern, die langsamer oder einfach anders sind. Die Mütter wollen, dass ihr Kind ein »normales« Kind wird, es soll nicht negativ auffallen, es soll ein kluges Kind werden. Am besten ein ganz besonderes. Was das Kind will, ist egal. Und dann wird verglichen, unerbittlich, unter den Mamas: »Mein Jonas rechnet schon bis 100. Was denn, dein Sohn ist erst bei 20? Dabei ist der Jonas doch drei Monate jünger als dein Sohn.« Noch nicht gemerkt? In den Schulen regiert der Wettbewerb! Hier herrscht das Gesetz des »Immer-Schneller, Immer-Früher, Immer-Mehr«! Das Leben ist ein Kampf und früh übt sich, wer ein Meister werden will. Mach mit oder bleib doof.
    Mit diesem Verhalten drängen die Mütter ihren Nachwuchs in einen ungesunden Leistungswahn und liefern sich gegenseitig einen ängstigenden Bildungswettbewerb. Wie neulich auf dem Schulhof, als die Kinder uns Mamas beim Abholen freudestrahlend ein Matheblatt zeigten. Bei der Mama neben mir prangte ein grüner Hundestempel auf dem Zettel. (Anm.: In den ersten Klassen gibt es keine Noten, stattdessen zum Beispiel Tierstempel. Dass die Tiere stellvertretend für gute oder weniger gute Leistung stehen, haben die Kinder ganz schnell raus – und die Mamas auch.) Dann wurde sofort die alles entscheidende Frage gestellt: »Und was habt ihr für einen Stempel?«, denn die andere Mama weiß: Hund ist gut, aber Maus ist besser. Sollten wir die Maus haben, ist die Sache für die Mama neben mir klar: Sie hat als Mutter kläglich bei der Förderung ihres Sohnes versagt. Was werde ich jetzt über sie denken?
    Die Kinder mutieren zum Aushängeschild der Mütter und deren Leistung: Wenn mein Kind in der Schule zurechtkommt, bin ich eine gute Mutter, sonst eine schlechte. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Mutter selber das Einmaleins beherrscht oder nicht. Wenn’s der Kleine kann, dann hat er es mir zu verdanken, basta. Wenn er es nicht kapiert, bin ich ebenfalls schuld. Dadurch werden die Kinder zu Außenministern, die mit ihrem Können und Wohlverhalten deutlich machen: Ha, in dieser Familie ist die Welt noch in Ordnung. Seht her, hier kommt eine gute, heile, außergewöhnlich begabte und kreative Familie. Was für ein Quatsch!
    Und was für ein enormer Druck dadurch entsteht, sowohl für die Kinder als auch für die Mütter. Und der geht weit übers Lernen hinaus. Auch das Engagement zählt. Da wundert es einen nicht, dass Ausflüge der ersten Klasse ins Kunstmuseum oder in die Oper von zahlreichen Müttern stark befürwortet werden. Am besten zwei kulturelle Schmankerl für die kunsthungrigen Kids pro Monat! Und um die Mama-Begleitung wird sich ein erbitterter Kampf geliefert. Wer geht mit zum Haus der Kunst? Wer darf ins jüdische Zentrum zum Karneval-der-Tiere-Konzert? Wenn ein Ausflug mal nur zum Sportplatz gehen soll, wird gleich gemeckert. Von den Mamas. Warum denn nicht ins Planetarium oder in die neue Ausstellung von Richter? Zu meiner Schulzeit sah man andere Mütter nur zweimal im Jahr, zu den Schulfeiern. Heute lungern sie vor den Schultoren in kleinen Grüppchen, wie früher die unerlaubten Rauchergangs. Und glotzen. Und lästern. Und klüngeln die Verabredungen ihrer Kinder. Ja, haben die denn alle nichts Besseres zu tun?
    Die Terminkalender der Mitschüler meines Sohnes sehen aus wie die von Managern. Und viele Mütter beschleicht trotzdem immer wieder das Gefühl, sie tun nicht genug für die Top-Entwicklung ihrer Kinder. Meine Freundin Henni zum Beispiel. Ihre Tochter kommt kaum noch zum Spielen, schafft die Hausaufgaben gerade so, aber »dieses tolle neue Lernprogramm für Mathematik soll ja der Hammer sein. Da können die Kinder ganz spielerisch nebenbei noch ihre Zahlen-Fähigkeiten verbessern«, meint Henni. Den Tipp hat sie von einer anderen Schulmama. Machen jetzt alle in der Klasse. Mach mit oder raus bist du – höre ich zwischen ihren Worten.
    Ja hallo, wo ist denn da das Spielerische, wenn mein Kind keine Zeit mehr hat, einen Legoturm zu bauen oder im Park die Tauben zu ärgern? »Was für eine Zeitverschwendung«, lästern die anderen Mamas. Und schwupps, ist man aus dem Rennen bei den Gesprächen auf dem Schulhof. Und mein Sohn auch. Kontakt mit Kindern, die bei der

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