Vorstandssitzung im Paradies
auch auf ihn selbst zutreffe, und demzufolge bleibe Mikkolas Kadaver ein für alle Mal da liegen, wo er, Lakkonen, und die anderen Männer ihn eingegraben hätten, damit basta. »Verrücktes Weib, vielleicht sollte man dich zur Abkühlung mal ins Meer schmeißen.«
Vanninen und ich baten Lakkonen, sich zu entfernen, nachdem wir ihm versprochen hatten, dass die Leiche des finnischen Mechanikers nicht umgebettet werden würde.
Somit blieb das Problem mit der verstorbenen schwedischen Krankenschwester. Frau Sigurd forderte in noch schärferem Ton, dass zumindest ihre Kollegin erneut bestattet werden müsse.
Ich gab zu bedenken, dass wir, selbst wenn wir es tun würden, keinen lutherischen Pastor zur Verfügung hatten. Widersprach es nicht allen guten Sitten, wenn ein Laie kirchliche Handlungen vornahm, für die er nicht die entsprechende Ausbildung und Weihe empfangen hatte?
Frau Sigurd wies diese juristisch-theologischen Bedenken zurück und sagte kalt, dass sie und ihre Landsmänninnen sehr wohl im Stande seien, auf Schwedisch einen Psalm zu singen, und das müsse unter diesen Bedingungen genügen.
Ich sah deutlich, dass sowohl die schwarze Hebamme als auch Vanninen allmählich genug hatten von dieser grotesken Diskussion. Vanninen machte einen Kompromissvorschlag, um sich selbst und uns weiteren Streit zu ersparen.
»Wir könnten so verfahren, dass ihr Schwedinnen euch um die erneute Bestattung eurer Landsmännin kümmert, die allerdings bereits nächste Nacht erfolgen muss. Auch muss der neue Grabplatz in gebührender Entfernung vom Lager sowie in ausreichender Tiefe liegen – es besteht nämlich Grund zu der Annahme, dass eine so böse zugerichtete Leiche gefährliche Krankheiten verbreitet. Und wir gestatten keine Anfertigung eines Sarges, ebenso können wir auch keine Schwimmwesten zum Einhüllen der Toten herausgeben.«
Unter leisem Murren willigte Frau Sigurd in Vanninens Vorschlag ein und wies ihre Mitstreiterinnen an, eine Grube auszuheben.
Aber es gab keinen Spaten.
Von weitem beobachteten wir, dass es in der schwedischen Gruppe fast zum Bruch gekommen wäre: Die jüngsten Mitglieder, noch junge Mädchen, wollten sich Frau Sigurds religiösem Vorhaben entziehen. Aber mit harter Hand holte sie die Widerspenstigen wieder in die fromme Gemeinschaft zurück.
Frau Sigurd nahm sich das breite Paddel aus dem Rettungsfloß, schärfte eigenhändig die Spitze und führte dann ihre etwas verlegenen Landsmänninnen in den Dschungel. Der norwegische Arzt Olsen trat zu Vanninen und sagte kopfschüttelnd:
»Ich glaube, dass uns diese Frau noch einigen Ärger machen wird.«
Um Mitternacht sangen im Dschungel junge Schwedinnen, von Insekten geplagt, mit schönen Stimmen einen Psalm neben den sterblichen Überresten ihrer zerfetzten Schwester. Von dieser ehemals so hübschen jungen Frau waren grässliche Gerüche ausgegangen, als ihre sterbliche Hülle spätabends an uns vorbeigetragen worden war.
Eigentlich widerstrebt es mir, von dem Ereignis zu berichten, das mir immer noch völlig aberwitzig vorkommt. Ich werde wahrscheinlich weder die Gerüche, die bei diesem besonderen Begräbnis auftraten, noch die Tatsache jemals vergessen, dass eine Hand der Toten von der provisorischen Bahre fiel, als diese an unserem glimmenden Feuer vorbeigetragen wurde. Ich stand instinktiv auf und hob die vom Hai abgebissene Hand aus dem Sand auf, um sie sofort wieder fallen zu lassen, denn sie war schlaff, stank und wimmelte von Fliegen. Frau Sigurd setzte wütend ihre Ecke der Trage ab, hob die Hand auf und legte sie zu den anderen Körperteilen der Toten. Gleichzeitig warf sie mir einen vernichtenden Blick zu – von dem Moment an wusste ich, dass mich diese Frau hasste.
Ich rannte ans Wasser, um meine Hände zu waschen, ich rieb sie mit Sand ab, bis sie ganz rot waren, und erst da bemerkte ich, wie taktlos ich mich benommen hatte. Mir war übel, aber ich übergab mich wenigstens nicht – ich glaube, wenn mir das passiert wäre, hätte mich Frau Sigurd in Stücke gehackt, und ich hätte Mechaniker Mikkonen oder der toten Schwedin Gesellschaft leisten müssen.
In dieser Nacht sangen die Zikaden so wie sonst, aber nicht allein. Entfernter schwedischer Gesang mischte sich hinein, und wir alle, die wir am Strand lagen und der Beerdigung ferngeblieben waren, konnten kaum schlafen. Erst am Morgen war das Grab zugeschaufelt, und die müden Lutheranerinnen kamen zurück, um sich auszuruhen. Zum ersten Mal waren bei uns
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