Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes
verschwinden, vielleicht wieder ins Meer zurückkehren. Diese Angst machte mich verrückt. Als sie mich sah und zu laufen begann, rannte ich ihr nach und rang sie nieder.« Unruhig knetete er seine Hände. Er schloß die Augen. »Ich nahm sie auf dem Sand. Der Traum hämmerte unablässig in meinen Ohren. Mit jeder Bewegung meines Körpers vergrößerte sich die Macht des Traumes, bis meine Seele sang und in seinem Glanz zu explodieren schien.
Ich lag auf ihr. Ich hatte mich völlig verausgabt. Dann sah ich hinunter in ihre Augen und entdeckte Leid und Entsetzen und Schmerz. Da erst wurde mir bewußt, was ich getan hatte.«
Mit finsterem Gesicht saß er am Feuer. »Ich kehrte in die Wirklichkeit zurück. Bruchstücke meines Traumes waren noch da. Plötzlich entdeckte ich die Medizinfrau, die mich während meines Traumes beobachtet hatte. Und ich wußte, dieses Mädchen, so schön, so verletzlich, liebte mich nicht. Ich blickte in ihre verstörten Augen und wußte, ich hätte sie lieben können. Und auch sie hätte mich lieben können. Aber Reihers Traum veränderte die Situation. So war es nicht vorherbestimmt. Es hätte anders kommen müssen. Und die Kinder, die bei dieser Vergewaltigung gezeugt wurden, veränderten sich durch die aufgezwungene Empfängnis. Kreise formten sich innerhalb von Kreisen, alles veränderte sich, und nichts ergab einen Sinn. Es war wie bei einer Spirale. Was ist außen, und was ist innen?«
Sie starrte ihn an. Flüchtig entdeckte sie in seinen sanften Augen einen Teil seiner Seele. »Und du glaubst, ohne Reihers Einmischung wäre alles anders gekommen?«
Er nickte unglücklich. »Die Frau am Strand und ich waren füreinander bestimmt. Wir sollten uns lieben und unsere Völker vereinen. Statt dessen mußten so viele sterben. Die Überfälle begannen, weil es mir nicht vergönnt gewesen war, mit einer Frau aus deinem Volk zu meinem Clan zurückzukehren.
Eine Verbindung mit dieser Frau hätte unsere Clans, die sich vor langer Zeit zerstritten hatten, vereinigt.«
»Vielleicht hatte Reiher ihre Gründe. Ich hörte, sie wurde ebenfalls von Mächten beeinflußt, die jenseits ihres bewußten Verständnisses lagen.«
Nachdenklich nickte er. »Vielleicht.«
»Hast du deinen Leuten nicht erzählt…«
»Ich habe niemandem die volle Wahrheit gesagt. Oh, Roter Feuerstein weiß ein wenig darüber. Aber gar nichts von der Macht der Symbolik. Er weiß nicht, wie wichtig es für uns ist, nach Süden zu gehen. Wüßte er Bescheid, würde er mich höchstwahrscheinlich auf der Stelle umbringen und sich die Decke des Hochverehrtesten Ältesten umlegen, obwohl ihn Visionen zu Tode erschrecken.«
Tanzende Füchsin berührte seine Hand. Seine Finger verschränkten sich mit den ihren. »Warum hast du es mir erzählt?«
»Ich weiß es nicht.« Er konzentrierte sich völlig auf das Feuer. Nach längerem Schweigen sagte er:
»Erzählst du mir etwas von dir? Was treibt dich an?«
»Das Überleben meines Volkes.«
Eisfeuers Augen schienen sich in tiefe Teiche zu verwandeln. Sie fürchtete, darin zu ertrinken. »Und was bist du bereit, dafür zu geben?«
»Alles.«
»Ich weiß einen Weg.«
Argwöhnisch schielte sie ihn von der Seite an. »Und welchen?«
»Vertraust du mir? Nimmst du mich und ein paar meiner jungen Männer mit in euer Lager auf der anderen Seite des Großen Eises, damit wir das Weiße Fell zurückholen können? Wenn es deine Leute als eine Geste guten Willens sofort herausgeben und sie von meinem Clan dafür Kleidung, Essen und neue Zelte bekommen, müßte es doch möglich sein, allmählich unsere Völker zusammenzuführen.«
»Ein Volk wiederzuvereinen?«
Lächelnd drückte er ihre Hand. »Ja. Du kannst dir also vorstellen, wir alle könnten gemeinsam im Süden leben?«
»Gemeinsam.« Das Wort brannte ihr auf der Zunge. »Ich bin so lange allein gewesen. Ich weiß nicht, was dieses Wort bedeutet.«
Sein warmes Lächeln streichelte ihre Seele. »Ich auch nicht, aber es ist Teil des Traumes. Uns bietet sich die Chance zur Wiedervereinigung eines Volkes, das niemals hätte getrennt werden dürfen.«
Sie starrte in die rötlichgelben Flammen, die über die das Feuerloch umgebenden Steine hinausloderten. Noch immer hielten sich Tanzende Füchsin und Eisfeuer bei den Händen. Langsam wanderten ihre Augen zu den ineinander verschränkten Fingern. Er bemerkte den Blick. Zögernd hob er mit der anderen Hand ihr Kinn, und ihre Blicke trafen sich.
Vertraue ich ihm? Prüfend sah sie ihm in
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