Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers
pulsierte. Sie schluckte und genoß den Geschmack des Blutes in ihrem Mund. Sie sog Kraft aus ihrem Leben.
Erschlafft blieb er auf ihr liegen, während die anderen in ihrer gutturalen Sprache miteinander quasselten.
Wie lange sollte das noch dauern? Hatten sie noch immer nicht genug? Krampfhaft hielt sie die Augen geschlossen und preßte die blutigen Lippen an ihre Zähne. Sie fühlte, daß er aufstand, kühle Luft strich über ihre schweißdampfende Brust und ihren gepeinigten Bauch.
War das der letzte gewesen? War das der… Ein anderer Körper legte sich auf ihren und trieb ihr mit seinem Gewicht die Luft aus den Lungen. Die anderen ließen ihre Arme und Beine los, anscheinend überzeugt, ihr Widerstand sei gebrochen.
Als er in sie stieß, biß sie sich erneut auf die Lippen.
Irgendwann hatte sie nicht mehr mitgezählt. Aber so viele waren es gar nicht gewesen. Es waren höchstens sieben, die sie gefangengenommen hatten. Nur sieben. Aber diese sieben waren jung, gierig, alle hatten diesen lüsternen Blick in den Augen.
Er fügte ihr ebenfalls große Schmerzen zu, aber sie machte sich Mut mit dem Geschmack ihres eigenen Blutes. Sie bekämpfte den von ihm verursachten Schmerz, indem sie sich selbst einen noch größeren Schmerz zufügte.
Ich werde leben. Ich schwöre, ich werde leben und es euch allen heimzahlen. Wieder schluckte sie. Sie existierte nur noch dank der Kraft, die sie aus sich selbst sog.
Endlich lag er erschöpft auf ihr. Unter seinem Gewicht fast erstickend, wartete sie darauf, daß er sich erhob. Durch schmale Augenschlitze sah sie, daß sich die anderen hingesetzt hatten und miteinander palaverten. Ihre Gesichter waren von Ermattung gezeichnet, die Augen stumpf, die muskulösen Schultern schlaff.
Doch sie hielten ihre Waffen kampfbereit umklammert. Das Lager war dunkel, ein Feuer hätte das Rothand-Volk auf die Eindringlinge aufmerksam machen können.
Sie lag ganz still. Unfähig sich zu bewegen, spürte sie, wie der Krieger über ihr schlaff wurde und einschlief. Lag er auch so auf seiner Frau zu Hause? War das seine Schwäche? Sie öffnete die Augen.
Vorsichtig blickte sie sich in der Dunkelheit suchend nach einem Gegenstand um, der ihr von Nutzen hätte sein können.
Irgend jemand rief. Rasch schloß sie wieder die Augen. Sie hörte Schritte im Gras, spürte, wie der Mann auf ihr durch den derben Tritt seines Anführers erwachte.
Der Mann erhob sich, und der Fuß stieß nach ihr. Sie blickte auf und sah ihn auf eine Decke zeigen. In der Abendkühle wurde der Männerschweiß auf ihrer Haut eiskalt. Sie unterdrückte ein Stöhnen und setzte sich auf. Sie wußte, am nächsten Tag würden die Schmerzen kaum auszuhalten sein.
Der Anführer sprach in ärgerlichem Tonfall und zeigte wieder auf seine Lagerstatt. Sie rührte sich nicht.
Zur Strafe für ihren Ungehorsam trat er sie mit aller Kraft in die Seite. Dieses Mal konnte sie einen gequälten Schrei nicht unterdrücken. Wie betäubt kroch sie hinüber zu der Decke und rollte sich zu einer Kugel zusammen. Sie preßte ihre Knie gegen die verletzten brennenden Brüste. Ihr hochgewachsener Aufpasser, dessen schwarze Zöpfe über die muskulösen Schultern fielen, stand gelassen vor ihr.
Aus einem Bündel holte er Lederriemen und bedeutete ihr, sie solle die Beine ausstrecken. Sie gehorchte und wartete.
Zufrieden legte er seine Speere beiseite und kniete nieder, um sie zu fesseln.
In diesem Moment kam Leben in sie, geschöpft aus der Kraft ihres eigenen Blutes. Sie riß die Speere an sich, sprang auf die Füße, wirbelte herum und trieb mit der ganzen Kraft ihrer Wut die Steinspitze in sein Fleisch. Aufbrüllend wich er zurück. In einer sinnlosen Gebärde griff er nach dem befiederten Schaft, der zwischen seinen Rippen herausragte.
Sie legte einen Speer in den Atlatl und erkannte sofort, daß sie die männliche Waffe anders ausbalancieren mußte als sonst. Sie warf blitzschnell einen Speer in den nächsten Mann, drehte sich um und stürmte zwischen den Bäumen hindurch in die sichere Dunkelheit.
Wutentbrannt schrien sie hinter ihr her. Krampfhaft hielt sie die Speere umklammert und jagte zwischen den Bäumen hindurch. Zum Schutz vor den peitschenden Ästen, die auf ihre nackte Haut einschlugen, hielt sie den Kopf gesenkt. Die tiefhängenden Zweige erforderten ihre ganze Aufmerksamkeit, so daß sie ein wenig von der panischen Angst abgelenkt wurde. In wilder Flucht rannte sie in die Nacht hinaus.
Die spitzen Steine stachen
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