Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers
Entlang der Flüsse, wo das Wasser die Ufergräser am Leben erhielt, hatten seine Jäger aus dem Hinterhalt heraus viele Tiere töten können. Sie wußten, dies waren die einzig verfügbaren Wasserstellen weit und breit und die Tiere mußten dorthin kommen.
Schwerer Biber folgte mit seinem Hauptlager den von seinen Kriegern angelegten Wegen. Diese verliefen in unregelmäßigen Windungen, stets der Notwendigkeit gehorchend, genügend Wasserstellen vorzufinden. Das Volk marschierte durch ein vernichtetes Land - kleine Flußtäler hatten sich in die vom Mutterboden beraubte Erde gefressen, doch inzwischen waren auch diese Flüsse meist nur noch mit Staub und Sand gefüllt. Ein fürchterliches Dasein. Selbst die Hunde sahen erbärmlich aus. Sie mühten sich keuchend mit den schweren Lasten ab, die blanken Steine schnitten tief in die Pfoten ihrer zähen Beine.
Schwerer Biber wollte mit den verschiedenen Sippen seines Volkes zusammentreffen. Von Osten her näherte sich Zwei Steine. Die Kundschafter von Sieben Sonnen berichteten, er marschiere südlich der Mündung des Mud River, wo die Nebenflüsse des Big River aus den Buffalo Mountains strömten.
Von Süden her wanderte Wapitipfiffs armselige Gruppe langsam vom Sand River herauf. Sie berichteten, Wolken aus Staub würden den ganzen Himmel verdunkeln und die Welt in Finsternis hüllen. Sie hätten bereits begonnen, ihre Hunde zu essen.
Schwerer Biber schielte zu den sich wie eine gewaltige Festung erhebenden Buffalo Mountains hinauf.
Dort mußten seine Krieger für ihn einen Sieg erringen - oder er mußte sich einer Herausforderung stellen, die schrecklicher war als der Krieg mit den Anit'ah.
»Die Anit'ah essen Wurzeln und Samen«, sagte Roter Hornstein eines Tages zu ihm. »Vielleicht sollten wir das auch tun. Es wäre besser, als zu hungern.«
Er schlug sie zu Boden und starrte voller Wut auf sie hinunter. Sie preßte ängstlich eine Hand vor den Mund. »Wir sind Männer, keine Wurzelgräber, die im Dreck herumwühlen wie die Anit'ah. Der Große Büffel und der Große Weise im Himmel haben die Büffel zu uns gebracht, damit wir sie essen. Fleisch ist Kraftnahrung, es besitzt magische Macht. Wurzeln würden meine Krieger schwächen.«
Er blickte auf die glitzernden Schneekappen der Buffalo Mountains.
»Nein, wir gehen dahin, wohin uns der Große Büffel im Himmel führt. Dieses Jahr übernehmen wir die Berge.«
Aber die anderen tuschelten schon untereinander; einmal konnte er ihr Flüstern belauschen. »Die Anit'ah essen Wurzeln - und ich merke nicht, daß ihr Blut davon geschwächt wird!«
»Ich nehme die Berge ein«, versprach Schwerer Biber unheilschwanger. »Das schwöre ich bei der Seele meiner Mutter und beim Blut, das durch meine Adern fließt. Ich will keine albernen, Wurzeln sammelnden Weiber um mich haben, die die Macht in den Zelten übernehmen, weil sie die Nahrung herbeischaffen. Nein! Kein Mann wird diesen Frauen Untertan sein. Die Frauen dürfen die Läuterung des Volkes keinesfalls zunichte machen. Lieber wird der letzte Mann durch einen Kriegsspeer der Anit'ah sterben!«
Mit geballter Faust drohte er hinüber zu den Bergen.
»Wolfsbündel? Geh… beeinflusse ihn jetzt! Erfülle ihn mit deinen Bedürfnissen. Handle. Handle sofort!«
KAPITEL 22
Weißes Kalb erwachte mit dem Gefühl einer Vorahnung. Die Macht hatte ihren Schlaf gestört und mit ihrem Unterbewußtsein gespielt.
Der letzte Traum jedoch war so mächtig gewesen wie das Leben selbst. Die Bilder verweilten so scharf konturiert und lebensecht, daß sie meinte, sie müsse nur die Hand ausstrecken und könne sie berühren.
Ihre Zeit war endlich gekommen. Sie öffnete die Augen und schaute sich in ihrer gemütlichen Höhle um. An diesem friedlichen Morgen betrachtete sie jedes ihrer vertrauten Besitztümer. Die uralte, in die Rückwand gemeißelte Spirale schien heute den ganzen Raum zu dominieren. Die Morgensonne lugte über die Berge, ein einzelner Sonnenstrahl durchdrang die Türbehänge und fiel auf die Spirale wie ein leuchtender Lichtpfeil.
Weißes Kalb strich ihr Haar zurück. Ihr Mund bewegte sich lautlos, um den schalen Nachgeschmack der Nacht loszuwerden. Stöhnend und mit krachenden Gelenken erhob sie sich von ihrem Lager, ging zum Feuer hinüber und stocherte in der Salbeiasche nach Glut. Nachdem sie Zunder auf die rotglühenden Kohlen gelegt und das Feuer in Gang gebracht hatte, begann sie, die Kochsteine zu erhitzen.
Tangara schlief zugedeckt von einem Deckenberg
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