Vorzeitsaga 02 - Das Volk des Feuers
über einen Salbeistrauch, griff nach den starren grauen Zweigen und drehte sie umeinander, bis die Wurzel mit einem dumpfen Knall nachgaben und er sie aus der Erde ziehen konnte. Befriedigt hob er den Speer auf und verfolgte die schlurfende Spur des Diebes. Die entwurzelte Pflanze wie einen Dreschflegel benutzend, schlug er klatschend auf hohe Salbeibüschel ein. Immer wieder stocherte er im Gestrüpp herum und versuchte, sein verwundetes Opfer aufzuscheuchen.
Hungriger Bulle bückte sich und spähte ins dichte Gestrüpp. Plötzlich starrten ihn im Morgenlicht zwei leuchtende braune Augen an. Die rosige Nasenspitze zitterte, die silbrig glänzenden Barthaare bebten.
Hungriger Bulle schlug auf das Gebüsch ein. Befriedigt sah er einen humpelnden braunen Schatten auf der anderen Seite hervorbrechen.
Er sprang über den Salbeistrauch und stürmte hinter dem verwundeten Geschöpf her. Im Zickzackkurs rannte er durch das Dickicht. Sein Opfer hatte einen Haken nach links geschlagen. Hungriger Bulle zögerte einen Moment, dann verlagerte er sein Gewicht auf ein Bein und machte einen weiten Sprung mitten in ein wildes Durcheinander vertrockneter Salbeistengel, die sich bei seiner Landung wie lebendig aufrankten und ihn zum Stolpern brachten.
Während Hungriger Bulle der Länge nach hinschlug, erhaschte er noch einen Blick auf seine verschwindende Beute. Wütend kroch er auf Händen und Füßen hinterher, geriet dabei mit einer Hand in einen Haufen brauner dorniger Ranken und stieß einen Fluch aus.
Er kam wieder auf die Beine, machte ein paar Sätze vorwärts, um den Dieb zu ergreifen. Ohne Erfolg.
Wieder stürzte er hinter dem kleinen braunweißen Schatten her. Der unter seinen Füßen knackende Salbei griff nach ihm, als wolle er ihn aufhalten und erfüllte die Luft mit seinem scharfen Aroma.
Inzwischen hatten Jäger und Beute den Arroyo fast durchquert und und näherten sich den sanft ansteigenden Hängen, die zu einer abgerundeten Hügelkuppe hinaufführten. Wenn es dem Dieb gelang, dort hinauf in die Felsen zu kommen und ein Versteck zu finden, war alles vorbei.
Schlitternd kam Hungriger Bulle zum Stehen. »Hab dich verloren!« Er reckte den Hals. Sein sensibles Gehör versuchte, das leise Rascheln auszumachen. Eine Wiesenlerche trällerte, eine Wanderdrossel fiel mit einer fröhlichen Melodie in den Gesang ein und grüßte Vater Sonne.
Da! Hungriger Bulle rannte hinter dem Geräusch huschender Füße her. Der Dieb hatte kehrtgemacht und einen weiten Bogen geschlagen, während Hungriger Bulle lautstark krachend hinter ihm hergestürmt war. Wieder begann die verrückte Jagd. Der Dieb strafte sein gebrochenes Bein Lügen, flink kroch er auch durch die kleinsten Schlupfwinkel. Hungriger Bulle benachteiligt durch seine Größe - mußte sich mit brutaler Kraft und heftigen Hieben den Weg durch das Dickicht erkämpfen.
Als der Dieb über eine Lichtung flitzte, stolperte Hungriger Bulle im Eifer des Gefechts über seine eigenen Füße und schlug bäuchlings in den Staub.
Brüllend vor Wut rappelte er sich wieder auf. Er versuchte, den Rücken des Tieres zu erwischen, doch er glitt ab und griff mit einer Hand in die Stacheln eines tückischen Kaktus'. Kreischend vor Schmerz und fluchend über das unglaubliche Glück des verwundeten Wildes tauchte Hungriger Bulle kopfüber in das Salbeidickicht. In seiner rasenden Wut bemerkte er kaum die Schrammen und Kratzer auf seinen Wangen.
Schleichend näherte er sich dem Flüchtenden, bis er nach ihm schlagen konnte. Dabei bekam er den Schwanz zu fassen und hielt ihn mit aller Kraft fest. Sein Gefangener krallte sich wie wahnsinnig in die lockere Erde, doch sein Widerstand nutzte nichts. Hungriger Bulle zog ihn hämisch lachend zu sich her.
»Hab ich dich!« schrie er siegessicher.
Grinsend rappelte sich Hungriger Bulle auf. Er hielt sein Opfer hoch, baumelnd an einem braunweißen Schwanz, die Vorderbeine ausgestreckt, das gebrochene Hinterbein schlaff herunterhängend.
Der glatte weiße Bauch glänzte im Kontrast zu den rosa gesprenkelten Füßen wie Schnee in der Sonne.
Hungriger Bulle hob seinen Widersacher ganz nah vor sein Gesicht und starrte ihm in die furchterfüllten dunklen Augen. »Du hast mein letztes Trockenfleisch aufgefressen. Und auf das bißchen, was du nicht gefressen hast, hast du gepißt und geschissen. Und als Gipfel von allem hast du den Lederriemen meines Atlatls durchgenagt. Es dauert seine Zeit, bis man einen solchen Atlatl angefertigt hat… bis
Weitere Kostenlose Bücher