Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
Nahen des Jägers. Weitere Antilopen überquerten die Dünen und gingen ihnen voraus.
Wärme pulsierte durch Stilles Wassers Seele. Er erhaschte einen Blick auf eine Packratte mit buschigem Schwanz. Das Nachttier lief neben ihnen her, ohne den Dachs oder die Kojoten zu beachten. Insekten umschwirrten sie mit silbernen Flügeln.
Eine Klapperschlange glitt durch das wogende Gras auf sie zu. »Weiße Esche?« rief Stilles Wasser erschrocken, aber mit sanfter Stimme. Die Klapperschlange schlängelte sich näher und hinterließ wellenförmige Spuren im Sand. Sacht berührte Stilles Wasser Weiße Esche. »Weiße Esche? Vielleicht gerät das alles ein bißchen außer Kontrolle?« Ihre Augen blickten plötzlich klar, und sie murmelte:
»Hmm?« Die Vögel stiegen höher in die Luft, die Antilopen verharrten und blickten sich beunruhigt um. Die Klapperschlange rollte sich zusammen und züngelte bedrohlich.
»Oje.« Weiße Esche zuckte zurück.
Die weißen Flecken der Hinterteile der Antilopen blitzten auf, Staubwolken aufwirbelnd stoben sie über die Dünen davon. Die Vögel zwitscherten aufgeregte Warnsignale und flogen in alle Richtungen.
Innerhalb kürzester Zeit stand Stilles Wasser mit Weiße Esche allein in der kleinen Mulde. Nur die Klapperschlange war geblieben, doch auch sie glitt nun in den Schatten der Sträucher zurück. Stilles Wasser seufzte und blickte sich um.
»Habe ich das gemacht?« Weiße Esche starrte ihn aus großen Augen an. Stilles Wasser stieg hoch über die Spur der Klapperschlange hinweg und umging den Zufluchtsort des Reptils weiträumig. »Mir scheint, das Rufen der Vögel erfordert einige Übung. Du hast alles und jeden gerufen.«
Sie starrte ihn verwundert an. »Ich berührte nur die Grenze der Macht. Ich wollte nicht zu weit gehen.«
Er nickte beunruhigt. »Auf jeden Fall sollten wir das nicht gerade dann versuchen, wenn Bären in der Nähe sind oder sonst etwas Großes, Hungriges.« Sie folgte ihm über eine niedrige Sandbank und ließ sich erschöpft auf den warmen Boden sinken. Ihr Lederrock breitete sich wie ein mit Fransen besetzter Halbmond aus. Stilles Wasser setzte sich dicht neben sie. Der Anblick ihrer müde herabhängenden Schultern tat ihm weh. »Warum bist du traurig? Du hast es doch geschafft!« meinte er aufgeregt. »Ich wollte nur die Vögel rufen!« »Sie sind doch gekommen.«
»Zusammen mit all den anderen Tieren.« Ängstlich blickte sie ihn an. »Vielleicht lag es daran, weil ich mich nicht traute, die Schwelle zum Großen Einen zu überschreiten. Ich habe mich zurückgehalten.«
Sie schloß die Augen. »Aber es ist da. Es ruft mich.«
»Das Wichtigste ist, daß du dich zurückhalten konntest. Das ist sehr gut.« »Nur, weil du da warst. Ich konnte deine Seele sehen, sie glühte. Ich habe mich an dir festgeklammert.«
Plage schnüffelte an einem Strauch und plumpste grunzend in den Schatten.
»Wohin gehen wir eigentlich?« fragte sie und sah aus, als fühle sie sich mit einemmal sehr verloren.
Stilles Wasser schielte zu den Dünen hinüber. »Nach Süden.« Er hob seine Hand gen Westen und prüfte die Zeit. Ihnen blieben noch drei Handbreit Sonnenlicht. »Nicht weit von hier ist ein Bach, der auch noch so spät im Jahr Wasser führt. Er fließt dort drüben am Rand des Dünenfelds. Das Wasser schmeckt nicht besonders gut, aber es erfrischt. Wir könnten dort lagern. Vielleicht verspäten wir uns dadurch ein wenig, aber…« Er zuckte die Achseln.
Weiße Esche schnaufte müde und rappelte sich auf. »Los, gehen wir weiter.«
Schneckenhaus' kräftige Finger glitten am glatten Holz seines Speerschaftes entlang. Sein Herz hämmerte aufgeregt. Er hatte die Spuren entdeckt und war ihnen gefolgt. Seine Opfer bewegten sich nur im tiefergelegenen Gelände und versuchten, unentdeckt zu bleiben. Es waren leicht zu bewältigende Opfer: nur ein Mann, eine Frau und ein Hund. Ein Wurf mit seinem von den Geistern gesegneten Atlatl, und der Mann würde sterben und die Frau ihm gehören. Den Hund konnte er notfalls erschlagen, falls er Ärger machen sollte.
Nun wartete Schneckenhaus. Er wußte, sie mußten den Pfad entlangkommen, der aus der Senke herausführte. Um selbst nicht entdeckt zu werden, war er in einem Bogen um sie herumgegangen und hielt sich im hüfthohen Salbei am Wegrand vor ihnen versteckt. Er hatte einen perfekten Platz für seinen Hinterhalt gewählt. Der Wind trug seine Witterung von der scharfen Nase des Hundes weg. Die Füße in den Sand des Dünenhangs
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