Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
wecken. »Was, habe ich gefragt.«
Er hob den Kopf. »Mir ist jetzt alles klar. ,Liebe die Träumerin.' Das sagte Warmes Feuer vor seinem Tod zu mir. Das ist die Antwort.«
»Stilles Wasser, ich sorge mich um unser Überleben. Ich sehe ringsum nur Treibsand, keinen festen Boden. Warum sagst du… Was tust du da?«
Er rollte sich auf sie und blickte ihr glücklich lächelnd in die Augen. »Ich werde dich lieben.«
Sie sah ihn an, als sei er verrückt geworden. »Jetzt? Nicht jetzt, Stilles Wasser. Nicht, nach …«
»Gerade jetzt.«
»Stilles Wasser, ich will mich jetzt nicht mit dir herumstreiten. Ich muß nachdenken. Zuviel stürmt auf uns ein. Zu viele Dinge …« Sie schüttelte den Kopf. »Meine Gedanken entgleiten mir, gleiten zurück ins …«
Er knabberte an ihrem Ohr und flüsterte: »Vertrau mir. Konzentriere dich. Liebst du mich? Wirklich?«
Er fragte sie so eindringlich, als hinge sein Leben davon ab. Sich ihres Körpers bewußt, der auf den seinen reagierte, nickte sie ernst.
Er umschloß ihre Brüste mit den Händen und streichelte sie zärtlich. »Mach deinen Kopf frei. Gehe denselben Weg nur auf eine andere Weise. Verschmelze mit mir. Das ist die Antwort, verstehst du denn nicht? Der Grund, warum Träumer andere Menschen meiden und weglaufen von denen, die sie lieben.«
Sie keuchte. »Weil Liebe die Träume stört!«
Er nickte. »Versuchen wir, das schmale Gesims, auf dem du balancierst, ein wenig zu verbreitern.
Liebe mich mit der ganzen Leidenschaft deines Körpers, Weiße Esche. Liebe mich von ganzem Herzen.«
Sie zog ihn an sich und flüsterte: »Von ganzem Herzen und noch mehr, Stilles Wasser.«
Die verglühenden Kohlen warfen ein düsteres rotes Licht auf die Felsdecke der Höhle. Weiße Esche lag auf dem Rücken, Stilles Wasser barg seinen Kopf an ihren Brüsten. Seine regelmäßigen Atemzüge erfüllten sie mit Zufriedenheit, dennoch war sie beunruhigt.
In dieser Nacht hatte es zwar funktioniert, ihr schwankendes Gleichgewicht war wiederhergestellt worden. Aber wie lange würde das gutgehen? Wie lange würde Stilles Wassers freundliche Seele sie davon abhalten können, der Verlockung des Großen Einen nachzugeben?
Wieder und wieder dachte sie über die vor ihnen liegenden unwägbaren Risiken nach. Unbehaglich schielte sie hinüber zu Stilles Wassers Beutel. Die Macht des Wolfsbündels zerrte mit geisterhaften Fingern an ihr. Sie zuckte zurück und sah Singende Steines Gesicht in jener letzten Nacht vor sich.
Wenn ich mich deiner Macht nicht entziehen kann, Bündel plötzlich fühlte sie sich krank siegt Tapferer Mann.
Weinend warf Rosenbusch Sand in das Grab, in dem Lupines kleiner Körper lag. Zu ihrer Überraschung hatte Salbeigeist das Mädchen getragen und nach dem Brauch des Erdvolkes eine Handvoll Sand auf den Leichnam gestreut. Sogar eine Träne war über die Wange seines harten Gesichts gerollt.
»Ich teile deinen Kummer«, sagte Salbeigeist leise zu Rosenbusch und strich ihr liebevoll über den Kopf. Im Laufe des letzten Mondes, während sie langsam weiter nach Süden gezogen waren, hatte er weitere Fortschritte in der Sprache des Erdvolkes gemacht.
Knolle schob mit heftigen Bewegungen Sand in die Grube, als könne er dadurch den in ihm tobenden Schmerz überwältigen.
Anschließend kauerte er sich zusammen, krallte verzweifelt die Hände in die sandige Erde und weinte hemmungslos. Salbeigeist kniete neben ihm nieder. Er legte die schwieligen Hände auf seine Schultern und sagte: »Krieger weinen nicht. Der Tod ist Teil des Lebens. Sieh mich an, Knolle.« Er deutete hinauf zum Himmel. »Der Große Donnervogel beobachtet uns alle im Auftrag der Sonne. Er bewertet deine Seele, er sieht alles, was du tust. Bist du stark genug für ihn, Knolle? Schickst du ihm deine Seele, damit er beurteilt, ob sie würdig ist, in das Lager der Toten aufgenommen zu werden?«
»Aber meine Schwester…«
»Wir alle müssen sterben. Sogar Salbeigeist… und eines Tages auch du. Diese Erkenntnis lindert den Kummer um deine Schwester nicht, aber so ist es nun einmal. Akzeptiere das Leid und den Schmerz und lebe damit. Das erfordert Mut.« Knolle zog die laufende Nase hoch.
»Nun komm«, fügte Salbeigeist nüchtern hinzu. »Wir haben sie nach dem Brauch deines Volkes begraben. Jetzt beginnt ein neues Leben.«
Rosenbusch warf einen letzten Blick auf das Grab. Verzweifelt versuchte sie zu akzeptieren, was geschehen war. Sie hatte Lupine nur kurz den Rücken gekehrt. In diesem
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