Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
Dreigabelungenstammes! Führe uns in den Kampf, damit wir dieses von bösen Geistern besessene Sonnenvolk aus unserem Land hinausjagen.«
Weiße Esche schüttelte den Kopf.
Korbs Gesicht nahm einen verkniffenen Ausdruck an. »Alles wird wieder so, wie es war. Wir singen wieder für die Seelen unserer Toten geleiten sie in den Schoß der Erde zurück.« Ihre Augen wurden glasig. »Wir könnten wieder so leben, wie wir immer gelebt haben.«
Weiße Esches Gesicht verfinsterte sich. Wie konnte sich Korb nur einreden, die Welt habe sich nicht verändert? Das Sonnenvolk verjagen? Weiße Esche nahm die Hände der Cousine in die ihren.
»Was ist mit dir geschehen?«
»Schreckliches«, weinte Korb. »Mein Mann wurde vor meinen Augen ermordet. Deine Mutter Eulenklee und meine Mutter Sternwurz wollten diese furchtbaren Menschen nicht mitnehmen, sie waren zu alt.« Sie rang die Hände und schnüffelte unter Tränen. »Mich nahm dieser vom Bösen besessene Schneckenhaus in sein Zelt. Er… er…« Sie erschauerte. »Das ist zu schrecklich. Ich weinte, ich flehte, aber er zog mich aus. Nahm mich wie ein…« Sie biß in ihre Hand.
»Das Sonnenvolk lebt nicht so wie das Erdvolk. Korb, geh zurück in das Zelt von Schneckenhaus. Ich habe ihn heute kennengelernt. Er scheint ein tapferer, ehrbarer Krieger zu sein.«
»Was?« Blankes Entsetzen erklang in Korbs Stimme.
»Die Welt hat sich verändert«, wiederholte Weiße Esche. »Es gibt kein Zurück. Du mußt…«
»Stört es dich denn gar nicht, daß sie deine Mutter umgebracht haben?« Korb wich einen Schritt zurück und schlug die Hand vor den Mund. »Und was ist mit deinem Stamm? Ich bin deine Cousine.
Du kannst nicht…« Ein unheimliches Leuchten glomm in ihren Augen. »Du bist eine von ihnen, stimmt's? Die Gerüchte sind wahr. Darum hat man deinen Körper nie gefunden. Du bist eine von ihnen geworden. Ich habe die falsche Person beschuldigt. Du hast das Böse hierhergebracht!«
Weiße Esche schüttelte den Kopf. »Ich bin gekommen, um den neuen Weg zu träumen. Die Spirale hat…«
Ein ersticktes Geräusch entrang sich Korbs Kehle. Sie drehte sich um und floh. Die Hunde bellten, als sie an den Zelten vorbeistürmte.
»Wer war das?« fragte Salbeigeist aus der Dunkelheit.
»Korb. Meine Cousine aus dem Dreigabelungenlager«, erklärte Weiße Esche müde.
»Ach, die Verrückte«, bemerkte Salbeigeist. »Sie benimmt sich wie ein tollwütiger Dachs. Sie bekam fast Schaum vor den Mund, sobald Heißes Fett auftauchte. Sie versuchte ständig, ihn von den Kindern fernzuhalten, aber den Frauen gelang es schließlich, sie zu bändigen.«
Weiße Esche rieb sich das Genick. Verschwommene Erinnerungen an das Dreigabelungenlager kehrten zurück. Warum trauert kein Teil meiner Seele um Eulenklee? Sie war meine Mutter.
Wolfsträumer, was hast du mir angetan?
Windläufer bahnte sich den Weg durch das Dickicht zurück ins Lager. Die Hunde nahmen seine Witterung auf und begannen bei seiner Ankunft freudig zu bellen und zu jaulen. Mit schwerem Herzen eilte er an den Zelten vorbei. Die Leute hatten sich um die flackernden Feuer versammelt und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen, obgleich sie längst schlafend unter ihren Decken hätten liegen sollen. Spannung knisterte in der Luft, zum Greifen nah hing sie über dem Lager wie stickiger Qualm.
Gebückt trat er in sein Zelt die Decken, die er mit Espe geteilt hatte, waren unbenutzt. Wehmütig kauerte er sich im Dunkeln zusammen und strich sacht über das Bettzeug. Die Decken fühlten sich kalt an. Er beugte sich vor und atmete tief Espes noch sanft verweilenden Duft ein. Schließlich erhob er sich und schlüpfte hinaus in die Nacht.
Er entdeckte sie am Feuer vor Schwarzer Monds Zelt. Aufmerksam hörte sie dem Stammesanführer zu und nickte hin und wieder bedächtig. Windläufer blieb regungslos im Dunkeln stehen und betrachtete liebevoll ihr sanftes, im Feuerlicht schimmerndes Gesicht.
Nach einer Weile überwand er sich und trat in den roten Feuerschein. Gegenüber von Espe und Schwarzer Mond hockte er sich hin und stützte die Ellenbogen auf die Knie.
»Du bist also zurück«, begrüßte ihn Schwarzer Mond. Der leise Vorwurf in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Wir hätten dringend deinen Rat gebraucht.«
Windläufer warf einen verstohlenen Seitenblick auf Espe, die, nervös mit einem Beifußzweig spielend, ausdruckslos ins Feuer starrte.
»Was hat euch Weiße Esche gesagt?« fragte Windläufer, den Namen kaum
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