Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
besitze ich sie.« Er schüttelte das Wolfsbündel. »Dieser Gegenstand hat versucht, mich umzubringen … vergeblich, Tapferer Mann hat widerstanden. Sogar jetzt versucht es, mich zu töten, aber die Geisterstimmen warnen mich rechtzeitig, deshalb kann ich mich dagegen wappnen.«
Seine Sprache war undeutlich wie die eines alten Mannes, der seine Zähne verloren hat. Weiße Esche schlang die Arme um ihren Oberkörper. »Das Große Eine und der Traum des Ersten Mannes sind nicht für dich bestimmt. Du weißt nicht, was du mit deiner Macht anrichten wirst.«
»Das Große Eine?« Er zog die Augenbrauen hoch. »So also nennst du es?«
Sie wandte den Kopf ab.
Tapferer Mann gab den beiden Kriegern ein Zeichen. »Ihr könnt gehen. Ihr habt euch die Dankbarkeit von Tapferer Mann verdient. Sollte ich euch brauchen, rufe ich euch.« Fünf Speere und Büffelsprung begaben sich mit stolzgeschwellter Brust auf den Weg zum Feuer.
Zu Bleicher Rabe gewandt, sagte er: »Ich kann das Risiko nicht eingehen, sie loszubinden. Nimm dein Messer und zerschneide ihr Hemd.«
Bleicher Rabe kniete neben Weiße Esche nieder. »Er hat die Macht, und er weiß, wie er sie bei einer Frau anwenden muß.«
Weiße Esche schloß die Augen. Bleicher Rabe schnitt das Vorderteil des wunderschönen Hemdes, das ihr Singende Steine geschenkt hatte, auf. Das Leder teilte sich, kühle Nachtluft strich über ihre Haut.
Ohne zu zögern, öffnete Bleicher Rabe die Verschnürung ihrer Hosen und zog ihr diese mit erstaunlicher Kraft über die Hüften.
Weiße Esches Körper befiel ein krampfartiges Zittern.
»Wie willst du es haben, Weiße Esche?« fragte Tapferer Mann. »Nimmst du mich ohne Kampf? Oder muß ich Fünf Speere und Büffelsprung rufen, damit sie dich festhalten? Wirst du willig meiner Macht begegnen… sie annehmen?«
Sie schluckte ihre fürchterliche Angst hinunter und zischte: »Bring es hinter dich!«
Tapferer Mann legte Bleicher Rabe die Hände auf die Schultern. »Geh. Tanze und singe. Lobpreise die Macht. Sage den Leuten, sie sollen mit ganzem Herzen singen, um den Großen Donnervogel herbeizurufen.«
Bleicher Rabe nickte und ging gehorsam zum Feuer.
»Tu es nicht, Tapferer Mann. Denk an unsere Freundschaft, denk an unsere Ahnen …«
»Ich bin der neue Weg.« Er zog sich das Hemd über den Kopf. Seine muskulöse Brust leuchtete im Schein des Feuers. Dann öffnete er die Schnüre seiner fransenbesetzten Leggings. Er stöhnte erneut, als er sie von seinem kranken Bein zog. Das Kniegelenk sah knollig aus wie der Astknoten einer Kiefer.
Am Feuer erklangen wilde Freudenschreie. Die Männer begannen zu tanzen und ihre Gebete zum Nachthimmel zu singen.
Er wandte sein Gesicht dem Feuer zu und hob die Arme. »Erhöre mich, Großer Donnervogel! Ich bin dem Weg der Macht gefolgt! Ich habe die Vernichtung des Wolfsvolkes geträumt! In dieser Nacht, vor dir, werden die Mächte vereinigt. An diesem Ort wird ein neuer Träumer gezeugt, geboren aus meinem Samen und genährt in Weiße Esches Leib.«
Mit angehaltenem Atem ließ er sich neben ihr nieder. »Vereinige dich mit mir, Weiße Esche. Du kennst den Weg der Macht. Du weißt, was geschehen muß.«
Wie hätte sie sich wehren sollen? Ihre Hände waren auf den Rücken gebunden. Die Hosen, die sich um die Fessel an den Knöcheln rollten, verhinderten, daß sie nach ihm treten konnte.
Sie wimmerte leise auf, als er sie berührte. Leicht strichen seine Finger über ihre Haut. Ihr Magen verkrampfte sich, drohte sich umzustülpen. Angewidert drehte sie den Kopf weg und blickte auf das im tanzenden Feuerschein blutrot aussehende Wolfsbündel. Während sie es beobachtete, fühlte sie, wie die von ihm ausgehende Macht ihre Angst durchdrang. Sie konnte sich dieser geheimnisvollen Kraft trotz Tapferer Manns Händen auf ihren Brüsten nicht entziehen.
Kranker Bauch, ich habe dich im Stich gelassen… ich ließ die Macht im Stich. Könnte ich doch noch einmal von vorn anfangen. Oh, Kranker Bauch…
Sie spürte Tapferer Manns Hände, die eine brennende Spur auf ihrem Körper hinterließen.
Grauenvoller Ekel wogte durch sie hindurch, bittere Galle stieg in ihre Kehle.
KAPITEL 20
Kranker Bauch rannte, so schnell er konnte. Mit seinem unbrauchbaren Arm war es schwierig, in vollem Lauf das Gleichgewicht zu halten, überdies mußte er mit seiner gesunden Hand den Tragegurt seines Beutels festhalten. Unabhängig davon war er noch nie ein guter Läufer gewesen.
»Weiße Esche«, stöhnte er, während er
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