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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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sein würde, ein Messer tief in die Gedärme von Jenos zu stoßen und zu spüren, wie das Leben des Mondhäuptlings verlöschte. Ein anderer lachte und äußerte sich in an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Worten, was er mit den in Gefangenschaft geratenen Frauen alles anzustellen gedachte.
    Dummköpfe. Glaubten sie tatsächlich, Nachtschatten würde tatenlos zusehen, wie wir ihr Zuhause zerstören? … Und anschließend widerspruchslos Tharons Befehl gehorchen und mit uns nach Cahokia zurückkehren?
    Falls Nachtschatten von Tharons Absichten wußte, verständigte sie mit Sicherheit Hagelwolke, Jenos' listigen und gefährlichen Kriegsführer. Früher, in besseren Tagen, hatte Hagelwolke Dachsschwanz einmal aus einer furchtbaren Niederlage befreit und ihm das Leben gerettet. Sie hatten alle Härten eines Kampfverlaufs geteilt, und eine auf beiderseitiger Hochachtung basierende Freundschaft hatte sich zwischen ihnen entwickelt. Auch diese Freundschaft würde nun zu Ende gehen.
    Dachsschwanz schnitt den verblassenden Sternenungeheuern eine Grimasse. Das Gesicht der Gehenkten Frau wurde mit jedem Augenblick weniger - wie seine Selbstachtung.
    Wie viele Dörfer hatte er im letzten Zyklus überfallen? Er kannte die Gründe, wußte, warum er tötete und entführte, trotzdem machte es seine Seele krank. Das Tributsystem, zum Funktionieren der Gesellschaft unerläßlich, war vor Hunderten von Zyklen eingeführt worden, lange bevor Dürre und Hunger das Land heimsuchten. In der guten alten Zeit, als die Erste Frau noch ihre schützende Hand über sie hielt, konnten es sich die Dörfer leisten, die Hälfte ihrer Maisund Kürbisernte abzuliefern, um die vom Sonnenhäuptling in Cahokia verwalteten Handels- und Verteilungssysteme zu unterstützen.
    Aber wie konnte Tharon in diesen schweren Zeiten von den kleineren Dörfern verlangen, dieselbe Menge abzuliefern wie zuvor? Besonders, da die »Verteilung…« zum Erliegen gekommen war, weil Tharon die Ernten vollständig für die Ernährung der inzwischen zehntausend Einwohner von Cahokia benötigte. Und diese Zahl nahm noch ständig zu.
    Die Erste Frau hat uns den Rücken gekehrt.
    Dachsschwanz erinnerte sich der dunklen Tage, an denen Winterjunge Schnee über das Land geatmet hatte und er von den Schießplattformen der Palisaden aus beobachten mußte, wie Tausende von Menschen herbeiströmten und ihre Schüsseln gegen die Wände schlugen und um Mais bettelten, damit sie ihre Kinder ernähren konnten.
    »Tribut!« zischte Rotluchs, als könne er in Dachsschwanz' Seele lesen. »Wie kann Tharon es wagen, sein Tun immer noch so zu bezeichnen?«
    »So wurde das System immer genannt.«
    »Ja, aber in den Zeiten, als der Häuptling Große Sonne noch die Macht besaß, die Leute zu schützen, war das auch gerechtfertigt. Doch jetzt? Jetzt wäre Bestechung das treffende Wort. Die Leute bezahlen Lösegeld, damit wir sie nicht angreifen, Bruder. Hast du vergessen, daß wir unsere Schwesterdörfer einmal gegen Außenstehende verteidigt haben? Hast du das wirklich vergessen? Kerans Traum ist tot.
    Sie sind nicht mehr länger unsere Schwestern. Wir sind Schlangen!«
    Am Ufer ertönte der Schrei einer einsamen Eule, kurz darauf flatterten dunkle Flügel über das Wasser. Dachsschwanz beneidete den Vogel um seine Freiheit, einen Augenblick lang schmerzte seine Seele.
    Er konnte nicht einfach fliehen, das Häuptlingtum brauchte ihn. Tausende von Menschen vertrauten auf seine Fähigkeit, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Wohin sollte er auch gehen? Er spielte mit dem Paddel, ruderte nur halbherzig und lauschte im heraufdämmernden Tag den süßen Tönen der Flöte.
    Er hatte an Hunderten von Lagerfeuern gesessen und von seinen Erlebnissen weit im Südwesten im Verbotenen Land erzählt, wo die Menschen Mais auf den Felsklippen anbauten und in steinernen Palästen wohnten. Er selbst hatte Nachtschatten Geschichten von den in der mit Kakteen, Salbei und Beifuß bewachsenen Wüste umherstreifenden Göttern erzählen hören. Manchmal lebte er in seinen Träumen in diesen Wüsten - frei wie die Adler, die sich über die roten Felsklippen schwangen.
    Nachtschatten - ihre geheimnisvolle Erscheinung ließ ihn nicht los. Die schöne Nachtschatten - unheimlich, furchteinflößend. Tapfere Männer senkten flüsternd die Stimmen, wenn sie ihren Namen aussprachen. Und ich legte sie einmal über meine Schulter und trug sie fort. Warum sind unsere Wege miteinander verknüpft wie das Webmuster eines Tuches?
    Rasch

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