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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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lebenden braun-weißen Eule geschmückt. Um seinen Hals hing ein handtellergroßer Muschelschmuck, der vor dem goldenen Stoff seines Gewandes erstrahlte.
    Im flackernden Schein der Feuerschalen schritt Dachsschwanz nach vorn. Rotluchs blieb an der Tür stehen und bewachte den Haupteingang, Dachsschwanz mußte die winzige Pforte in der Nähe der nördlichsten Strahlenreihe der Feuerschalen im Auge behalten.
    Nachdem er vor dem Altar niedergekniet war und seine Reverenz erwiesen hatte, erhob er sich und durchbohrte Jenos förmlich mit seinem Blick. »Wo ist Nachtschatten, Häuptling Großer Mond? Wir haben den Befehl, sie nach Cahokia zurückzubringen.«
    Jenos' Gesichtsmuskeln erschlafften schlagartig. »Was? Warum?«
    »Der alte Murmeltier ist tot. Häuptling Große Sonne braucht eine neue Priesterin. Er will Nachtschatten.«
    Angesichts dieses unerwarteten Frevels ballte Jenos eine Hand zur Faust und schüttelte sie drohend.
    »Er will uns nicht nur unserer Lebensmittel berauben, sondern auch unserer Macht? Was für ein Ungeheuer ist aus ihm geworden?
    Wir alle haben gehört, was mit Murmeltier und Tharons Frau geschehen ist. Man sagt, er habe sie getötet weil sie etwas Furchtbares über ihn herausgefunden hätten. Hulin, der Priester von Spiral Mounds, behauptet, einzig durch Tharons Schuld habe sich Mutter Erde gegen uns gewandt. Er sagt, Tharon habe ein schreckliches Sakrileg begangen, und Murmeltier und Singw seien dahintergekommen.«
    Dachsschwanz senkte den Blick. Wie hatten sich diese Gerüchte so rasch verbreiten können? Es war erst fünf Tage her, seit zwölf Menschen, darunter Singw und Murmeltier, gestorben waren. Ihre Leichen trugen keine sichtbaren Merkmale von Gewalt, aber alle hatten angstvoll aufgerissene Augen, als man sie fand. Beim Gedanken an jene schreckliche Nacht wagte Dachsschwanz kaum zu atmen.
    Die Mondjungfrau hatte angesichts dieser Morde schrille Schreie ausgestoßen und den Sechs Heiligen befohlen, die Winde zu entfesseln. Die Strohdächer vieler hundert Häuser wurden aufgerissen.
    Bruchstücke der Dächer wälzten sich durch Cahokia und sammelten sich zu Füßen der Hügel. Mit Ausnahme von Singw gehörte jedes Opfer den Sternengeborenen an. Die Angehörigen dieser religiösen Elite kümmerten sich um den Tempel und beaufsichtigten schwierige Zeremonien. Fast die gesamte Priesterschaft war getötet worden.
    »Wo ist Nachtschatten, Häuptling Großer Mond?«
    Jenos lehnte sich an den Altar. »Sie ist nicht da. Sie ist für ein paar Tage weggegangen. Binse, ihr Geliebter, kam vor sieben Tagen bei einem Unfall ums Leben. Donnervogel schickte einen Blitzstrahl in den Baum, neben dem Binse schlief. Der Baum stürzte auf ihn. Nachtschatten braucht Zeit zum Trauern.«
    Dachsschwanz senkte den Kopf. Voller Wehmut erinnerte er sich an Binse. Er war immer zu Scherzen aufgelegt, immer fröhlich gewesen. Niemand hatte sich vorstellen können, daß sich ein solch lebenslustiger Mensch mit Nachtschatten einlassen würde, aber sie waren zusammengewesen. Wie lange? Zehn Zyklen? »Wir haben keine Zeit. Niemand von uns hat Zeit. Besonders du nicht, Häuptling Großer Mond. Händigst du den fälligen Tribut aus? Oder wirst du mich zwingen, ihn aus deinen Vorratshütten zu holen?«
    Jenos schlug mit der Faust auf den heiligen Altarsockel. Seine Nasenflügel bebten vor Wut. »Vor uns liegt noch ein Mond Winter. Ohne diesen Mais werden meine Leute verhungern! Wir befinden uns mitten in der Hungerzeit. Und du weißt das. Wir haben sämtliche Tiere im Umkreis von einigen Tagesreisen erlegt. Im Vater der Wasser schwimmt kaum noch ein Fisch. Ich kann dir unseren Mais nicht aushändigen.« Flehentlich streckte er die Hände aus, ein Gefühl der Kälte sickerte in Dachsschwanz' Seele. »Ich bitte dich, Dachsschwanz.
    Bitte. Geh zurück und sage Tharon, wir können seinem Befehl nicht Folge leisten. Er soll uns noch eine Ernte Zeit lassen, dann geben wir ihm den doppelten Tribut, den er verlangt.«
    »Es tut mir leid«, erwiderte Dachsschwanz. Er fing Rotluchs' von Abscheu erfüllten Blick auf und empfand vor sich selbst Widerwillen. »Tharon ist deiner überheblichen Anmaßung überdrüssig. Dir bleibt noch ein Finger Zeit. Was wählst du - Krieg oder Frieden?«
    »Dachsschwanz, ist dir klar, was mit uns passiert, wenn du uns angreifst? Es geht nicht nur um den Tribut. Wenn du River Mounds erst zerstört und unsere Krieger getötet hast, sind wir völlig schutzlos gegen alle Überfälle. Die unabhängigen

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