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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Tempelhügel. Dachsschwanz stieg die in die steile Rampe eingelassene Holztreppe hinauf. Nachdem er die Hälfte der Treppe hinter sich gebracht hatte, sah er den Tempel. Er maß zweihundert Hand Länge und fünfzig Hand Breite. Das spitz zulaufende Dach ragte fünfzig Hand hoch.
    Neben Rotluchs durchschritt er das Tor der letzten schützenden Umzäunung. Sie überquerten einen freien Platz und gingen am Totempfahl vorbei, der so hoch war wie zehn einander auf den Schultern stehende große Männer. Die am Fuß des Pfahls liegenden Opfergaben dienten dazu, den an der Spitze eingeschnitzten Geisterhelfer, die Spinne, zu besänftigen.
    Vor dem Haupteingang des Tempels erwartete sie Malve. Hinter ihm standen zwei muskulöse Männer, die sich zu beiden Seiten des Tempelportals postiert hatten. Die Männer trugen die prunkvollen Gewänder der Tempelwachen. Schmale Dreiecke aus gehämmertem Kupfer bedeckten ihre Arme und das Oberteil ihrer roten Gewänder. An ihren Gürteln hingen mächtige Keulen aus Hartholz.
    In Malves Obsidianaugen glomm Wiedererkennen auf. Waren die warmen Sommernächte, in denen sie miteinander gespielt und geredet hatten, bereits verblassende Erinnerung?
    Malve versperrte Dachsschwanz mit seiner Lanze den Weg. Die Morgenbrise trug den Rauchgeruch der im Innern des Tempels brennenden heiligen Feuer herbei.
    »Halt, Kriegsführer von Cahokia. Mein Befehl lautet, dir zu sagen, du sollst dich deiner Waffen entledigen.«
    Unwirsch schob Rotluchs das Kinn vor. »Warum? Führer Dachsschwanz hat sein Wort gegeben, daß bis zum Ende seiner Unterredung mit dem Häuptling Großer Mond kein Bogen erhoben wird. Zweifelt Jenos an seinem Wort?«
    »Du kannst ihn selbst fragen - sobald ihr euch eurer Waffen entledigt habt.«
    »Du verlangst, daß wir außer Sichtweite unserer Truppen unbewaffnet in euren Tempel gehen? Ha!«
    »Tu, was er sagt«, wies ihn Dachsschwanz an. »Ich vertraue dem Häuptling Großer Mond.« Er schwieg einen Moment. »Und ich vertraue Malve. Er ist ein Mann von Mut und Ehre.«
    Ein Leuchten flackerte über Malves steinerne Miene.
    Rotluchs' Augen blitzten auf. »Dachsschwanz! Wir können nicht -«
    »Gehorche. Sofort.«
    Widerwillig nahm Rotluchs Köcher und Bogen ab, küßte die Waffen und legte sie behutsam an Mutter Erdes Busen. Dachsschwanz legte seine Waffen neben die von Rotluchs. Anschließend trat er einen Schritt zurück und zog seinen Bruder am Arm mit sich. »Das sind alle unsere Waffen.«
    Malve, der größer war als Dachsschwanz, musterte ihn mißtrauisch von oben bis unten. Kleine Knopfaugen glänzten in seinem runden Gesicht. »Ihr tragt keine Messer bei euch?«
    Zornig trat Rotluchs einen Schritt vor. »Beleidige meinen Bruder nicht! Wenn er sagt, das sind alle unsere Waffen, dann sind es alle!«
    Dachsschwanz packte Rotluchs an der Schulter und zog ihn beschwichtigend zurück. »Wir tragen keine Messer bei uns. Durchsuch uns, wenn du willst.«
    Malve gab einem der Wächter ein Zeichen, ihm Rückendeckung zu geben, ging vor ihnen in die Knie und tastete ihre Arme und Beine ab. Nach gründlicher Überprüfung sagte Malve: »Geh weiter, Kriegsführer. Häuptling Großer Mond erwartet dich.«
    Ehrerbietig neigte Dachsschwanz den Kopf und schritt zur Tür. Dort blieb er stehen und verbeugte sich nach Osten, Norden, Westen und Süden, blickte zum Himmel hinauf und dann zur Erde hinunter, eine Huldigung an die Sechs Heiligen, die den Wind in ihren Händen halten. Erst im Anschluß an diese Huldigung zog er vorsichtig den aus Rinde gewebten Vorhang beiseite und betrat den Tempel.
    Rotluchs war ihm gefolgt und sog scharf die Luft ein. Dachsschwanz riß vor Bewunderung die Augen auf. Er war bereits vor zehn Zyklen einmal in diesem Tempel gewesen, aber an diese großartige Schönheit und Pracht hatte er sich nicht mehr erinnert.
    Der dämmrige Flur erstreckte sich über fünfzig Hand, gesäumt von immer kleiner werdenden Türen, die das Auge unwiderstehlich auf den riesigen Raum am Ende lenkten, in dem Dutzende von Feuerschalen glühten. Dachsschwanz' Blick schweifte bewundernd über die glänzenden, die ganze Länge des Flures schmückenden Symbole: stilisierte Abbilder von Adler, Vater Sonne und Schlange, merkwürdige, konzentrisch angeordnete schwarze Quadrate, von Kreisen weißer Augen umringt.
    Überall standen reich geschnitzte Ständer, auf denen Schalen in der Form von Vogelköpfen ruhten und wunderschöne Opfergaben, herrliche Halsketten und Armbänder, lagen.
    Dachsschwanz

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