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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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schluckte die Tränen hinunter.
    Dachsschwanz beugte sich weiter vor. Seine angespannte Miene verriet Furcht und Verwirrung. »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Nachtschatten. Sag mir, was ich tun soll.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nur … mir nur beim Aufstehen helfen.«
    Er klemmte das blutige Bündel mit Jenos' Kopf unter einen Arm und griff nach ihrem Ellenbogen, um sie zu stützen. Zitternd stieg sie aus dem Kanu und ging auf wackligen Beinen über den weichen Sand.
    Als sie die steile Uferböschung hinaufkletterte, verhakte sich ein Dornenzweig in ihrem Kleid. Die Krieger wichen vor ihr zurück. Schweigend starrten sie sie an.
    Vom Hochufer aus konnte Nachtschatten Leute sehen, die mit Hacken aus Hornstein und Muschelschalen die Felder im Norden bestellten. Die Pflanzzeit hatte begonnen, und sie säten die Samen in lange, aufgehäufelte Erdreihen.
    Vier verschiedene Maissorten wurden angebaut: Puffmais und Süßmais, Mais zum Schroten und Mais für Mehl. Alte Baumstümpfe, umrankt von wilden Brombeeren, umgaben die Felder wie ein natürlicher Zaun. Die jungen grünen Blätter hoben sich deutlich von der fruchtbaren dunklen Erde ab.
    Nachtschattens Blick flog über die zahlreichen, verstreut im Westen und Süden liegenden, von Menschenhand errichteten Hügel hinweg. Dieses furchteinflößende Erbe der Elite schürte eine tiefe Angst in ihr. Sie wandte sich um und entdeckte einen Platz, auf dem sich eine Familie der Nichtadeligen ein neues Haus baute. Der Großvater beaufsichtigte eine ganze Arbeiterschar. Die Kinder entrindeten Kastanienstämmchen, um sie gegen Insektenbefall widerstandsfähig zu machen.
    Anschließend behandelten sie die Enden der Stämmchen im Feuer, damit die Bodenfeuchtigkeit nicht in das Holz eindringen konnte, und reichten die Stämmchen an zwei Männer weiter, die sie in ausgehobenen Gruben verankerten. Im Hintergrund saßen drei Frauen - wahrscheinlich Großmutter, Mutter und Enkelin - und verwoben Schilfrohrblätter zu Matten. Diese wurden später mit Lehm bestrichen und dienten als Wände. Zwei Seiten des Hauses waren auf diese Weise bereits fertiggestellt.
    Erstaunt runzelte Nachtschatten die Stirn. Zwischen dem Hochufer und der hohen, rund um Cahokia errichteten Palisade verteilten sich Hunderte neuer Häuser auf der Fläche zwischen den Hügeln. Die schäbigen Dächer erstreckten sich, so weit das Auge reichte. Selbst der Platz zwischen den Häusern wurde noch landwirtschaftlich genutzt, frische Ackerfurchen warteten auf die Einsaat.
    Kein Wunder, daß Mutter Erde die Menschen im Stich gelassen hatte und daß die Erste Frau sich weigerte, sich für sie einzusetzen! Wie konnte Tharon nur hoffen, diese Menschenmassen jemals ernähren zu können? Sie ernteten die Felder viel zu früh ab und bepflanzten sie unverzüglich neu. Das Getreide konnte gar nicht hoch genug wachsen. Jedes Fleckchen Boden, das bestellt werden konnte, wurde genutzt, selbst auf den und am Fuße der Felsklippen und im weiten fruchtbaren Schwemmland wurde gesät. Dennoch gab es in Cahokia nicht genug zu essen. Trotz der vielen Tribute, die in Booten über die Wasserläufe aus den Dörfern herausgeschafft wurden, reichte die Nahrung für so viele Menschen bei weitem nicht aus. Der Handel versorgte sie zwar mit so exotischen Dingen wie getrockneten Mollusken, Häuten, Kupfer und Pfeifenstein, aber die Nichtadeligen tauschten diese entbehrlichen Waren sofort gegen Nahrungsmittel ein, sofern sie welche bekommen konnten. Nur die Elite konnte sich solche Luxusgüter noch leisten.
    Die neugierigen Zuschauer deuteten beifällig nickend auf die ans Ufer laufenden schweren Kanus, die bis zur Bordkante mit Tribut aus River Mounds vollgepackt waren.
    »Heuschrecke!« schrie Dachsschwanz. »Such zwanzig Krieger aus. Sie sollen Nachtschatten beim Gang durch die Stadt begleiten. Und ich will keine Zwischenfälle! Sollte es einer der Nichtadeligen wagen, einen Bogen auch nur zu heben, erwarte ich von deinen Kriegern, daß sie ihn auf der Stelle töten!«
    Dachsschwanz trat neben Nachtschatten und warf ihr einen beunruhigten Blick zu. Die ausgewählten Krieger, angeführt von Heuschrecke, scharten sich um sie.
    Rasch setzte sich die Gruppe in Bewegung. Die Eskorte öffnete eine Gasse durch das Gewühl der anderen Krieger und beschritt den Hauptweg in die Stadt. Nachtschatten war todmüde. Unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte zwang sie sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und schleppte sich vorwärts. Eine Hundemeute

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