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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Verzweiflung und die Kämpfe, als sie das Land des Sumpfvolkes durchquerten und durch ekelhaft schleimiges Wasser schlichen, das ihr bis ans Kinn reichte. Sie erinnerte sich an die Schlangen, die beißenden und stechenden Insekten, die Sehnsucht nach den lodernden Feuern, die anzuzünden nur der Feind wagen konnte; an die durch die heißen, schwülen Nächte gellenden Schreie verwundeter Krieger und an die schmerzhafte Einsamkeit.
    Nur Dachsschwanz hatte mit ihr gesprochen. Er brachte ihr die Sprache seines Volkes bei, hielt sie fest und beruhigte sie in den Nächten, wenn die Träume sie heimsuchten. Sein Körper war die einzige Quelle der Wärme in jener kalten, furchterregenden Welt gewesen. Nun hatte er sie wieder geholt seine Stimme war noch immer die einzig freundliche, allein sie spendete ihr Trost.
    Nachtschatten blickte mit den Augen eines verängstigten, vier Sommer alten Mädchens auf die vor ihr auftauchende Anlegestelle. Als die Krieger hinaussprangen und lachend und einander derbe Scherze zurufend das Kanu auf den Sand zogen, verkroch sie sich völlig in sich selbst.
    Unter halbgeschlossenen Lidern hervor fixierte sie Dachsschwanz, dessen geflochtene Stirnfransen in grauen Strähnen herabhingen und um dessen Augen sich tiefe Falten eingegraben hatten. Er stapfte das schlammige Ufer zur ersten Terrasse hinauf und gab zweien seiner Krieger ein Zeichen, Nachtschatten zu ihm zu bringen.
    Die beiden Männer, der eine sehr jung, der andere ungefähr zwanzig Sommer alt, beugten sich über sie und forderten sie auf, sich zu erheben. Jede Berührung mit ihr wollten sie tunlichst vermeiden. Sie sah sie entsetzt an. Als der Junge sie leicht mit dem Fuß anstieß, schrie Nachtschatten: »Nein! Bitte zwingt mich nicht! Laßt mich in Ruhe! Ich will nach Hause. Ich will zu meiner Mutter! Bringt mich nach Hause!«
    Dachsschwanz fuhr herum. Seine Silhouette hob sich deutlich vom flammenden Rot des sterbenden Sonnenuntergangs ab. Verblüfft neigte er den Kopf auf die Seite. Erst langsam begriff er.
    »Verschwindet!« rief er den Kriegern zu. »Laßt sie in Ruhe!« Er eilte zum Anlegeplatz zurück und drängte sich zwischen seinen geschäftig am Ufer umherlaufenden Kriegern hindurch, die Vorräte ausluden und ihre Habseligkeiten einsammelten.
    Die beiden jungen Krieger stolperten bei seinem Eintreffen hastig aus dem Boot. Nachtschatten vergrub ihr Gesicht in den schmutzigen Falten ihres roten Rocks. »Mutter!« schluchzte sie. »Wo bist du? Warum hast du zugelassen, daß sie mich mitnehmen?«
    Schwester Datura bemächtigte sich der Bilder in der geheimen Kammer in Nachtschattens Seele und zwang sie, sich an den jungen Dachsschwanz zu erinnern - an einen hochgewachsenen, herrischen jungen Mann. Sie erinnerte sich an die Nacht, die sie in Black Warrior Mounds in der Nähe eines großen Flusses verbracht hatten. Das von Bäumen und Gestrüpp überwucherte Dorf war bereits vor langer Zeit von seinen Bewohnern verlassen worden. Dort sah sie zum erstenmal in ihrem Leben Leuchtkäfer. Die Glühwürmchen kamen bei Sonnenuntergang, funkelten im Gras und breiteten sich wie ein leuchtendes Netz aus glitzernden Sternen auf den Bäumen aus. Damals hatte Dachsschwanz einen Krieger in einem der kegelförmigen Hügel begraben …
    Als er nun vor ihr niederkniete, sah sie nichts außer seinem Gesicht. Entsetzliches Grauen überfiel sie.
    Verzweifelt versuchte sie, wegzukriechen. »Laß mich in Ruhe! Ich will zu meiner Mutter! Ich will nach Hause! Bitte«, weinte sie, »bring mich nach Hause.«
    Dachsschwanz' Blick wurde weich. »Es tut mir leid, ich verstehe kein Wort. Nicht ein Wort mehr als damals vor zwanzig Zyklen.«
    »Bitte, bittet'
    Unsicher streckte er die Hand aus, als wolle er ihr beruhigend übers Haar streichen; doch er zog sie rasch wieder zurück, ließ sie sinken und ballte die Faust. »Nachtschatten, ich weiß nicht, was Schwester Datura mit dir macht, aber -«
    »Vor zwanzig … Zyklen?«
    Ein Schrei hallte in ihren Erinnerungen wider. Das Gesicht ihrer Mutter tauchte auf, ihr aufgerissener Mund, der Sand in ihren Augen, tot lag sie da, und Blut tränkte ihr Zeremonienkleid … Nachtschatten brach in haltloses Schluchzen aus. Alle, die sie liebte, waren tot, nur Bruder Schlammkopf kümmerte sich noch um sie.
    »Nachtschatten!« Dachsschwanz' Stimme klang so liebevoll, daß sie ihr fast fremd war.
    Schwester Datura wich zurück, tanzte hinweg und wirbelte knapp außerhalb ihrer Reichweite um sie herum. Nachtschatten

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