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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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verdrängte er diesen beunruhigenden Gedanken. »Tharons Versessenheit auf die Gegenstände der Mächte macht mir weit größere Sorgen als der ausstehende Tribut, Rotluchs. Was denkt er sich nur dabei, wenn er jedes Machtbündel stehlen läßt und jede Ohrspule besitzen muß, von der irgendwann einmal irgend jemand behauptet hat, eine Macht wohne in ihr? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«
    Rotluchs warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Für mich schon. Er versucht, sämtliche Mächte der Welt bei sich anzuhäufen.«
    »Aber warum? Fühlt er sich bedroht, wenn Schamanen und Priester diese Gegenstände in ihrem Besitz haben? Was will er mit einer solchen Fülle von Macht?«
    »Wer weiß? Vielleicht versucht er zu lernen, wie man in die Unterwelt eintaucht.«
    Dachsschwanz unterdrückte einen Schauder. Viermal in einem Zyklus füllten die Sternengeborenen, die Priester und Priesterinnen des höchsten Rangs, ihre schwarzen Quellgefäße mit heiligem Wasser und tauchten in den Quell der Ahnen. Sie schwammen durch die trügerischen Schichten der Illusion, die die Erste Frau wob, damit die Unwürdigen nicht in die pechschwarze Höhle ihres Baumes eindringen konnten. Die Erste Frau kannte die magischen Lieder, die es Vater Sonne und Mutter Erde auch in Zukunft ermöglichten, eine glückliche Ehe zu führen. Ohne diese Lieder würde Mutter Erde zunehmend einsamer werden und in ihrer Verzweiflung die Ernten vertrocknen lassen.
    Das Häuptlingtum hatte während vieler Zyklen unter dem vollen Ausmaß von Mutter Erdes Unzufriedenheit zu leiden gehabt. Es gab fast kein Großwild mehr. Als er fünf Sommer alt gewesen war, hatte er zum letztenmal einen Wapiti gesehen - und in den alten Geschichten hieß es, es habe einmal eine Zeit gegeben, zu der Millionen dieser Tiere die Prärien bevölkerten.
    Der alte Murmeltier hatte einmal gesagt, alles sei Nachtschattens Schuld. Sie habe damit begonnen, Tod und nicht Leben in die Gefäße zu hauchen. Er behauptete damals, Nachtschatten habe mit Hexerei den Zugang zur Unterwelt versperrt, und er könne die Schichten der Illusion nicht mehr durchdringen, um in der Unterwelt zur Ersten Frau zu finden. Vielleicht war Rotluchs' Vermutung gar nicht so abwegig. Wollte Tharon es selbst versuchen? Jemand mußte etwas unternehmen - und zwar schnell.
    Oben im Hochland waren Eichen und Hickorybäume fast völlig verschwunden. Im Frühling traten Flüsse und Bäche über die Ufer und überschwemmten die Äcker. Die Pflanzen verkümmerten. Die Maisfelder waren nicht ergiebig genug, um die vielen tausend hungrigen Mäuler zu stopfen. Der alte Murmeltier hatte erklärt, Mutter Erde sei in Verzweiflung versunken.
    Als die Flotte eine Biegung umrundete, erstarb die betörende Melodie der Flöte. Lauschend neigte Dachsschwanz den Kopf. Die schwachen Geräusche des erwachenden Dorfes drangen zu ihm herüber.
    »Was meinst du? Ob Jenos wohl argwöhnt, daß Tharon tausend Krieger losgeschickt hat, um ihn zur Übergabe des Tributs zu ,ermuntern'?« Rotluchs' Stimme klang bitter.
    »Wenn Nachtschatten Bescheid weiß, dann auch Jenos.«
    Rotluchs überlief ein Frösteln; erschrocken hob er das Paddel halb aus dem Wasser. »Willst du damit sagen, sie hat unser Kommen vorausgesehen? Glaubst du, sie weiß von Tharons Befehl, sie nach Cahokia zurückzuschleppen? Wenn du davon wirklich überzeugt bist, laß uns schleunigst umkehren und nach Hause zurückfahren!«
    »Mit letzter Gewißheit wissen wir gar nichts. Seit Murmeltiers Tod gibt es in Cahokia keinen Priester mehr, der die Macht besitzt, seine Seele schwimmen zu lassen und zu erkennen, was Nachtschatten vorhat. Wie dem auch sei, bald wissen wir Bescheid.«
    »Ja, sobald die Pfeile von Hagelwolkes Kriegern über die Palisadenwände schwirren und sich in unsere Körper bohren. Ich habe Hagelwolke gern, ich will nicht gegen ihn kämpfen. Dachsschwanz, das Ganze ist Wahnsinn!« Aufgebracht drosch Rotluchs mit seinem Paddel an die Seitenwand des Kanus.
    Betont ruhig antwortete Dachsschwanz: »Ja, ich weiß, Bruder.«
    Die Krieger starrten sie neugierig an. Dachsschwanz bemerkte es und murmelte unhörbar etwas vor sich hin, dann stieß er sein Paddel wieder energisch in das ruhige Wasser.
    Er konzentrierte seinen Blick auf den Horizont. Blauviolettes Leuchten überflutete den Himmel und ergoß sich über das Land, tauchte das vor ihnen liegende Ufer in unwirkliches Licht. »Da vorn«, befahl er und deutete auf eine Stelle auf dem schimmernden Ufersand. »Dort legen

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