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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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hatte wohl die Großartigkeit, nicht aber das Prickeln der Mächte in Nachtschattens Tempel vergessen. Er schüttelte den Kopf. Tharon war ein Dummkopf gewesen, sie aus Cahokia zu verbannen. In River Mounds hatte man sie mit offenen Armen aufgenommen. Nachtschattens Ruf reichte um die halbe Welt. Aber er fragte sich, wie sie damit fertig geworden war, ohne ihr Schildkrötenbündel zu leben. Der alte Murmeltier behauptete, nach Nacht-Schattens Verbannung habe er dem Bündel kaum noch eine Macht entlocken können; es schien, als habe sich der Geist des Bündels zurückgezogen - oder sei vor Kummer gestorben. Noch immer beehrte das Bündel den Hauptaltar in der Großen Sonnenkammer mit seiner Anwesenheit, doch Dachsschwanz konnte sich kaum erinnern, daß jemand in letzter Zeit das Bündel auch nur einmal erwähnt hätte.
    »Los, komm. Wir haben nicht viel Zeit.« Dachsschwanz ging weiter, doch seine Gedanken verweilten bei Nachtschatten. War sie da? Sie mußte jetzt vierundzwanzig Sommer alt sein. Er hatte sie seit zehn Zyklen nicht mehr gesehen. Ihre Macht war mit jedem Zyklus gewachsen. Schon bei ihrer letzten Begegnung hatte sie ihn so haßerfüllt angesehen, daß er ihrem Blick nicht hatte standhalten können. In der Erinnerung daran kitzelte ein Flattern wie von Schmetterlingsflügeln seinen Magen.
    Während sie weitergingen, schweifte Rotluchs' Blick durch den Flur. »Noch nie habe ich so viel Macht gefühlt«, flüsterte er. »Nicht einmal in unserem Großen Tempel.«
    »In unserem Tempel lebt keine Nachtschatten, Bruder.«
    »Noch nicht«, berichtigte Rotluchs bitter. »Erst wenn wir Jenos völlig ausgenommen haben.«
    Dachsschwanz fühlte überall ihre Gegenwart. Ihre Seele lebte in den Zedernpfählen und durchdrang den Boden. Sie sah, hörte, beobachtete ihn aus jeder Faser der Schilfmattenwände. Als sie sich der inneren Kammer näherten, hörte Dachsschwanz das leise Schlagen einer Trommel. Oder war es Nachtschattens Herzschlag, der durch die Adern des Flures pulsierte? Wieder verneigte er sich vor den Sechs Heiligen, bevor er die Schwelle überschritt.
    »Du bist ein kühner Mann, Führer Dachsschwanz.« Jenos' rauhe Stimme hallte durch die goldene Wärme der Halle.
    Dachsschwanz konnte nirgends einen Trommler entdecken, doch das rhythmische Geräusch hielt unvermindert an und schien aus der angrenzenden Kammer zu kommen. Dachsschwanz' Blick wanderte durch den Raum. Vom mittleren Altar aus liefen Feuerschalen in zwölf Reihen strahlenförmig nach außen. Ihr warmes Licht liebkoste die Lehmwände und flackerte über die auf den weißen Lehm gemalten Ornamente.
    Der Altar erhob sich vier Hand hoch und maß zwanzig Hand im Durchmesser. Drei Stufen führten über das heilige Piedestal zum heiligen Altar. Die aus dem Stamm einer längst ausgestorbenen Zypressenart geschnitzten hellroten, purpurfarbenen und gelben konzentrischen Kreise des Sockels formten einen Ring um das rosarote Gesicht von Nachtschattens Geisterhelfer. Allein beim Anblick dieses verzerrten Gesichts überfiel Dachsschwanz ein Gefühl des Unbehagens. Aus den Räucherschalen auf dem Altar stieg der durchdringende Geruch nach Akeleisamen, vermengt mit dem Duft nach Kalmus, auf. Jenos stand mit verschränkten Armen vor dem Altar. Ein hartes Glitzern funkelte in seinen braunen Augen.
    »Nicht kühn, Cousin«, erklärte Dachsschwanz. »Nur gehorsam.«
    Jenos schnaubte verächtlich. »Gehorsam gegenüber Tharon? Du bist ein Dummkopf. Sieh dir die Katastrophe an, die dieser Knabenhäuptling bereits angerichtet hat. Ich hörte, die kleinen Kinder in den Hickory-Hügeln leiden Hunger. Quält das deine Seele nicht, Dachsschwanz? Wie viele Dörfer hast du in den vergangenen zwei Monden überfallen? Drei? Oder sind es inzwischen vier? Wie lange noch glaubt der Häuptling Große Sonne uns zwingen zu können, für die Ernährung seiner Leute zu sorgen? Bis wir uns gegen ihn erheben? Wir würden den Tribut geben, wenn wir könnten. Aber wir können nicht!«
    Jenos war kaum zehn Hand groß, doch er hatte die barsche Stimme und die unverwechselbare dreieckige Gesichtsform der Sonnengeborenen. Das spitze Kinn und die dünnen Lippen wurden von einer schmalen Nase überragt. Auf sein Gesicht war ein schwarzer, von einem Ohr zum anderen verlaufender Streifen tätowiert, die hohen Backenknochen zierten schwarze Halbmonde. Das schulterlange graue Haar trug er oben auf dem Kopf zu einem Knoten gebunden. Es war mit Kupfernadeln und den Federn einer in Erdhöhlen

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