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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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hing in Strähnen herab und klebte ihm schweißnaß an Schläfen und Stirn. ,Ah, aber du bist kein Hirsch, Flechte. Du hast den Körper eines Menschen. Der Erdenschöpfer hatte einen guten Grund, die Dinge so einzurichten. Rotwild ißt Gras und Wildblumen. Menschen essen Wildblumen, Gräser und Tiere.
    Alle Dinge haben ihre ureigenste Aufgabe zu erfüllen aus gutem Grund.« Er verstummte. Die Falten zwischen seinen dunklen Augen vertieften sich. »Weißt du, wer der größte Jäger ist, Flechte?«
    »Der Mensch?«
    »Nein.«
    »Wer dann?«
    »Mutter Erde. Sie pirscht sich ständig an uns heran. An uns alle. An Pflanzen, Tiere und Menschen.
    Sie lebt nur durch unseren Tod. Unsere Körper versorgen sie mit Nahrung. Deshalb ist das Sterben heiliger als das Leben. Wenn wir leben, leben wir nur für uns selbst. Aber wenn wir sterben, tragen wir zu allem Leben in der Welt bei. Eine wichtigere Aufgabe haben wir nicht. Fressen und gefressen werden. Verstehst du, was ich meine?«
    Zögernd zuckte sie die Achseln. Schließlich antwortete sie: »Ja, ich glaube schon. Aber … aber, Wanderer, ich fühle mich dabei immer schuldig. Meine Seele brennt und schmerzt. Wenn das Töten für Mutter Erde so wichtig ist, warum fühle ich mich dann nicht wohl dabei? Kennst du den alten Knochenpfeife? Ihm macht das Töten Spaß. Er prahlt ständig damit. Warum läßt Mutter Erde uns nicht alle so empfinden? Dann wäre sie doch auch viel glücklicher, oder?«
    Seine Augen wurden schmal. »Knochenpfeife ist ein Dummkopf. Wenn du das Tier, das du jagst, liebst und achtest, kannst du dich über seinen Tod nicht freuen. Und damit zu prahlen …« Er spuckte angewidert auf den Boden. »Jäger sind keine Mörder! Und Mörder sind keine Jäger!«
    Unter der Heftigkeit seiner Stimme zuckte Flechte zusammen. Zornig warf Wanderer den Zweig auf den Boden und stand auf, um das Kaninchen umzudrehen. Der süße Duft gebratenen Fleisches stieg ihr verlockend in die Nase. Sie beobachtete, mit welcher Ehrfurcht er das brutzelnde Fleisch behandelte, mit welch unendlicher Zartheit er es beim Wenden des Spießes berührte.
    »Was ist los, Wanderer?«
    »Nichts, Flechte. Tut mir leid. Mach dir meinetwegen keine Gedanken.«
    »Hattest du einen bösen Traum?«
    Er drehte ihr den Rücken zu, seine Arme sanken langsam herab. »Nicht … ich … ich will nicht darüber reden. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
    Flechte nickte. »Ist gut.«
    Sie verstand. Ihr ging es manchmal ebenso, wenn sie einen wirklich schlimmen Traum gehabt hatte.
    Nicht immer wollte sie gleich mit ihm darüber reden, sondern erst einige Zeit verstreichen lassen und darüber nachdenken. Sie litt mit ihm, denn sie kannte das ständig nagende Entsetzen, das auf diese Träume folgte. Flechte saß ruhig da, zupfte an ihrem Rock und legte den Stoff spielerisch mit den Fingerspitzen in Falten.
    Wanderer trat vom Feuer zurück, ging zum Rand der Klippe und blickte sinnend über das flache Schwemmland. Sein Blick war unverwandt auf die braungrauen Klippen im Westen gerichtet, an die sich die Schönen Hügel anschmiegten. Langsam schüttelte er den Kopf, dann wandte er sich um und blickte sie über die Schulter an. In seinen dunklen, gequälten Augen sah Flechte, wie die Macht zu ihm kam, doch sie fühlte, wie er, voller Angst vor sich selbst, dagegen ankämpfte.
    Sie zog die Knie an die Brust und ließ ihm Zeit. Mit der Spitze ihrer Sandale malte sie eine Spirale in den feinen, vom Kalkstein ausgewaschenen Staub. Sie betete zur Mondjungfrau und erflehte Hilfe für Wanderer. Nur die Mondjungfrau hatte die Macht, ihm zu helfen - nur sie konnte die Dunkelheit durchdringen.
    Kaninchenfett tropfte in das Feuer, brodelte über die heißen Steine in die Glut und ließ die Flammen aufzischen. Das Geräusch schreckte Wanderer auf. Er kniete vor dem Dreifuß nieder und prüfte den Braten. Da er gar zu sein schien, nahm er den Spieß vom Feuer.
    Er blies über das dunkle, dampfende Fleisch von Bruder Kaninchen, um es abzukühlen, trug es hinüber zu Flechte und setzte sich neben sie.
    Mit einem seltsam abwesenden Blick pustete er so lange auf das Kaninchen, bis das Fett auf dem Fleisch wieder erstarrte. Sie aß Fleisch zwar mit Vorliebe heiß und saftig, sagte aber nichts. Sie wollte ihn nicht aus seinen Gedanken reißen.
    »Verzeih mir, Flechte.« Wanderer riß ein Kaninchenbein ab und reichte es ihr. Dankbar nahm sie es.
    Sie hatte einen langen Tag hinter sich und mußte unbedingt etwas essen. Hungrig biß sie in

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