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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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sie sich durch und durch aufheizen konnte. Wenn sie nur eine Nacht lang warm schlafen konnte - nur eine Nacht -, vielleicht würde es ihr dann wieder gutgehen.
    Sie gähnte und zitterte. Als das Feuer niederbrannte, zog sie Holz aus der Schutzwand und warf es in die Flammen. Wolkenmädchen schlief an Turmfalkes Brust ein.
    Turmfalke setzte sich so hin, daß sie das Kind auf den Schoß nehmen und den durchnäßten Boden des Kaninchenfellsackes ganz dicht ans Feuer halten konnte. Am Morgen würde er trocken sein. Oh, was würde sie für ein trockenes Kleid geben. Für irgend etwas Trockenes, das sie sich über die Schultern legen könnte. Eine vergammelte, alte Bisonhaut wäre etwas Wundervolles.
    Sie starrte die flackernden Flammen an, und die Augen fielen ihr zu. Die quälenden Kälteschauer kamen nur noch in Abständen. Vor ihren inneren Augen zogen Bilder auf. Ihre Formen und Farben waren weich wie goldene Herbstbäume im dunstigen Schleier der Nacht. Dann kamen Erinnerungen angekrochen, sie stahlen sich in ihre Seele wie der widerliche Geruch eines Bären an einem ruhigen Frühlingsmorgen …
    »Stechapfel!« Turmfalke wirbelte herum, als er wie ein Krieger auf Raubzug durch den Hütteneingang brach. Er hielt seine Kriegskeule fest umklammert, und seine Brust hob und senkte sich, als wäre er dem Ersticken nahe. »Was … was ist denn?« Entsetzt wich Turmfalke zur hinteren Hüttenwand zurück.
    »Ist was?« antwortete er mit erschreckend sanfter Stimme. Vor Wut zitternd trat er einen Schritt vor.
    Schweiß rann seine beutelartigen Wangen hinab. »Wo warst du heute nachmittag?«
    »Heute nachmittag?« Turmfalke versuchte sich zu erinnern. Sie schüttelte den Kopf. »Ich … ich war in Wüstenschildkrötes Hütte. Sie hat mich gebeten, für sie zu malen.«
    Er sprang vor und ließ seine Kriegskeule auf ihre Schulter fallen. Turmfalke schrie auf. Der Schlag schmetterte sie zu Boden.
    »Ich kann Wüstenschildkröte nicht ausstehen! Das weißt du genau. Warum bist du zu ihr gegangen?
    Ich kann ihre ganze Familie nicht ausstehen.«
    Turmfalke hob schützend die Arme, um die Schläge abzuwehren, und Stechapfel begann nun, absichtlich auf ihre Handgelenke und Finger zu schlagen, bis sie voller Entsetzen aufschrie:
    »Stechapfel, hör auf! Bitte hör auf!«
    »Du malst gerne, hä? Ich werde dafür sorgen, daß du nie wieder malst!«
    »Nein, Stechapfel! Bitte!« Sie versteckte die Hände unter den Achseln, und er schlug wieder mit der Keule zu, um sie zu zwingen, sich mit den Händen zu verteidigen.
    Turmfalke fiel mit dem Gesicht auf den Boden. Sie versteckte die Hände unter ihrem Körper, und Stechapfel ließ seine Wut an ihrem Rücken und ihren Beinen aus. Sie schrie jämmerlich.
    Im Dorf erhoben sich Rufe, und sie konnte das Geräusch herbeieilender Schritte hören. Stechapfel schrie: »Zurück! Kommt mir nicht zu nahe! Hört ihr mich? Sie ist meine Frau.«
    Die Stimmen verstummten. Die Leute zogen sich zurück. Doch ein paar redeten noch leise miteinander.
    Rasend vor Wut brüllte Stechapfel: »Verschwindet von meiner Hütte!« Nun war auch das leise Reden nicht mehr zu hören.
    Turmfalke strebte fort so weit weg von ihm, wie sie nur konnte. Ihre Hände brannten. Ein Schwindelgefühl überkam sie, doch sie wußte, daß sie nicht das Bewußtsein verlieren durfte. Denn dann würde er ihre Finger nacheinander zertrümmern. Eine klägliche Stimme in ihrer Seele schrie: Aber vielleicht wird er dich lieben, wenn du ein Krüppel bist. Vielleicht wäre das besser … Sie weinte leise. Sie wollte, daß er sie liebte. Aber Malen war eine Notwendigkeit für sie. Was hatte sie nur getan, daß er so in Wut geriet? Sie hatte einer Klanverpflichtung nachkommen müssen. Wüstenschildkröte war ihre Kusine.
    Stechapfel wirbelte herum und starrte sie wütend an. »Ich will nicht, daß du jemals wieder zu Wüstenschildkrötes Hütte gehst. Niemals wieder. Sonst…«
    »Warum, Stechapfel?« schluchzte sie. »Sie hat mich gebeten zu kommen. Warum soll ich nicht?«
    Stechapfel stürzte sich auf sie, riß sie hoch und verdrehte ihr den Arm, bis sie aufschrie. »Raus aus meiner Hütte, Frau. Raus, und komm nie wieder!«
    Sie war losgerannt. So schnell wie Antilope hatte sie das belebte Dorf durchquert, war in Tannins Hütte gestürmt und hatte sich hysterisch schreiend in die Arme von Rufender Kranich geworfen. »Er haßt mich!« schluchzte sie. »Er hat versucht, mir die Finger zu brechen. Warum tut er das nur?
    Warum, Rufender Kranich?

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