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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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des Mondes, sahen sie unheimlich aus, wie Phantome, die im nächsten Augenblick verschwinden würden.
    »Ich habe Sonnenjäger schon immer gehaßt«, fuhr Stechapfel fort. Schmutzige Haarsträhnen klebten an seinen Wangen.
    »Ich wußte nicht, daß du ihn je getroffen hast.«
    »Habe ich nicht, aber das macht keinen Unterschied. Ich weiß, daß er seinen Schwanz in Turmfalke steckt.«
    Tannin schnitt eine Grimasse, als er den lauwarmen Tee in seiner Holztasse trank. »Stechapfel, das ist nicht möglich. Träumer tun so etwas nicht. Zumindest nicht Träumer von Sonnenjägers Format.«
    Stechapfel preßte die Lippen zusammen. Die Tränensäcke unter seinen Augen hatten sich dunkelblau gefärbt. »Du bist ein Einfaltspinsel, Bruder. Ich habe Dutzende von Träumern gesehen. Keiner ist je so heilig, wie er es behauptet. Jeder hat eine fatale Schwäche.«
    »Und du denkst, bei Sonnenjäger sind es die Frauen?«
    »Ja, er ist der Typ dafür, sehr jung. Und die größten Träumer sind in der Regel im Herzen Narren.«
    Tannin schüttelte ungeduldig den Kopf. »Was macht das für einen Unterschied? Wir wollen nichts weiter, als Turmfalke finden und nach Hause bringen.«
    »Wer wird sie uns ausliefern, wenn sie mit Sonnenjäger zusammen ist, Bruder?«
    Diese Frage hatte Tannin sich auch schon gestellt, ohne darauf eine Antwort zu finden. Er setzte seine leere Teetasse ab. »Nur jemand, der sehr kühn ist.«
    »Solche Leute sind inzwischen so selten wie Mammutelfenbein.«
    »Was sollen wir dann also tun?«
    Stechapfel schüttete den Rest seines Tees ins Feuer, stemmte die Hände in die Hüften und schaute zum Sternenvolk empor. Im Vergleich zum starken Silberlicht des Mondes wirkten sie wie verblaßte Spiegelbilder ihrer selbst. »Wir müssen das neue Otter-Klan-Dorf finden, mein Bruder, bevor sie dort eintrifft. Das gibt uns die Zeit, mit dem Dorfoberhaupt zu sprechen und ihm unsere unangenehme Aufgabe zu erklären. Dann«, er lachte böse, »werden wir Turmfalke überraschen, wenn sie ankommt.«
    »Was ist, wenn man im Otter-Klan-Dorf schon gehört hat, daß sie mit Sonnenjäger zusammen gesehen worden ist? Dann stehen wir der gleichen Feindseligkeit gegenüber wie heute bei Hirschhorn.«
    Stechapfel füllte seine Lunge mit der nach Meer riechenden Luft. »Dann müssen wir sie abfangen, bevor sie dort eintrifft.«
    »Und wie?«
    Stechapfel schaute freundlich auf, aber er hatte seinen Entschluß gefaßt. »Mein Sohn hat zu sprechen begonnen, Tannin. Ich habe es dir nicht gesagt, weil du mir nicht geglaubt hättest. Aber es ist so. Er spricht so gut wie du oder ich, und zwar jede Nacht. Selbst tagsüber flüstert er mir oft etwas zu.
    Kleiner Kojote wird uns wegen Turmfalke Bescheid geben, wenn es soweit ist. Wir werden sie schon abfangen.«
    »Berufkraut! Berufkraut, wach auf.«
    Berufkraut kam aus einem tiefen, traumlosen Schlaf zu sich und rollte sich auf den Rücken. Balsam kniete neben ihm, sein junges Gesicht war von Furcht verzerrt. Im Licht der Sterne, das durch das Rauchabzugsloch im Dach drang, wirkte Balsam weiß wie Schnee. Eine dicke Schicht von etwas Pollenähnlichem überzog seine Himmelfahrtsnase und die Schultern seines bockledernen Mantels. Die zwei schwarzen Zöpfe waren halb aufgelöst.
    »Was ist? Was ist denn los?« Berufkraut stützte sich auf einen Ellbogen. Balsam warf einen Blick in die Runde, um sicherzugehen, daß alle anderen noch schliefen. Sieben Erwachsene und acht Kinder drängten sich in dem rechteckigen Raum. Unter den Felldecken um die drei Feuerstellen herum bewegte sich nichts. Die Leute hatten all ihre Sachen Körbe, Atlatls und Köcher an die Wände gehängt. In den Steinspitzen der Speere spiegelte sich das Licht. Einige Männer schnarchten.
    Balsam beugte sich vor und zischelte: »Beeil dich! Du mußt mit mir kommen. Er ist auf der Wiese. Ich … ich weiß nicht, was er macht.«
    »Wer?« flüsterte Berufkraut, setzte sich auf und zog seine Mokassins an. Dann tastete er in der Dunkelheit herum, bis er seinen Mantel fand, zog ihn über die Schultern, erhob sich und folgte Balsam über die Hügelkuppe in den Wald.
    Balsam wartete, bis sie weit genug von den Zelten weg waren, bevor er wieder etwas sagte. »Es ist Klebkraut. Er hat irgend etwas Gemeines vor.
    »Er hat immer irgend etwas Gemeines vor. Was genau meinst du?«
    Balsam bat mit einem Kopfschütteln um Schweigen und trottete den Hang hinunter auf den Pfad zu, der um den Fuß des Hügels bog und direkt nach Westen zu Mutter Ozean

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