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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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führte. Sie rannten an einer alten Eiche vorbei. Ein Blitz hatte den Baum vor langer Zeit gespalten, und er war abgestorben, doch noch immer streckte er seine knorrigen Äste nach oben und bat Bruder Himmel stumm um Regen.
    Eine Eule hockte auf dem obersten Ast. Sie drehte den Kopf und blickte ihnen mit funkelnden Augen nach.
    Hier in den Bergen brach die Nacht früher herein als an der Küste. Anders als Mutter Ozean, deren Gesicht selbst beim schwersten Sturm die ganze Nacht lang funkelte und schimmerte, war der Eichenwald so düster, daß man meinte, die Dunkelheit mit Händen greifen zu können. Finsternis füllte die Lücken zwischen den Bäumen und den Bergen, die sich, so weit das Augen reichte, wie gigantische Wellen auftürmten. Berufkraut hatte sich von Tag zu Tag unbehaglicher gefühlt, als ob diese fremdartige Dunkelheit nie gekannte Schrecken hervorbringen würde.
    Balsams Schritte wurden zögernder, als sie sich einer weiten Wiese näherten. Die leuchtenden Farben der Wildblumen waren vom Licht des Sternenvolkes in Silber getaucht worden, doch der süße Duft der Blüten erfüllte die Luft. Balsam versteckte sich hinter einem Baum, und Berufkraut kauerte sich auf allen vieren nieder. Hochstehendes Gras kitzelte ihn am Hals, und nun wußte er, weshalb Balsam mit den Pollen des Roten Nachtschattens bedeckt gewesen war. Die kleinen Blüten wuchsen überall.
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Wiese, in der Nähe eines Kiefernwäldchens, bewegte sich etwas im Schatten. Der Klang einer hohen Stimme wurde vom Wind herangeweht.
    Berufkraut kroch zu Balsam hinüber, stand wieder auf und blickte an der anderen Seite des dicken Stammes vorbei nach vorn. Er kniff die Augen zusammen und sah, daß Klebkraut auf einer breiten, flachen Sandsteinplatte saß. Seit Jahrzehnten hatte man den Stein immer wieder zum Mahlen von Samen und Nüssen benutzt, und daher war er mit kleinen, runden Löchern übersät. Erst den vergangenen Morgen war Sumach dorthin gegangen, um einen Korb voll getrockneter Pinienkerne zu mahlen, die sie mit Wasser und frischen Zwiebeln vermischt fürs Frühstück gebraten hatte. Was konnte Klebkraut dort nur wollen? Er schien mit einem Stück Kohle etwas auf den Felsen zu zeichnen.
    Berufkraut flüsterte: »Was macht er? Kannst du es sehen?«
    Balsam schaute mit weit aufgerissenen Augen auf, und Berufkraut bemerkte, daß sein Bruder vor Angst zitterte. »Ich denke, er hext, Berufkraut. Ich könnte schwören, daß er das tut. Komm! Wir können noch näher an ihn heranschleichen. Ich zeige dir, wie.«
    Balsam duckte sich und kroch mit der Vorsicht eines Jägers durch das hohe Gras. Berufkraut folgte ihm auf den Fersen, doch blickte er immer wieder zu Klebkraut hinüber.
    Der häßliche Träumer war aufgestanden; mager und alt stand er vor dem Hintergrund des sternenbeleuchteten Waldes. Die grauen Strähnen in seinem Haar glitzerten wie Glimmer. Er breitete die Arme aus und begann zu tanzen, drehte sich im Kreis und stampfte mit den Füßen auf - wie ein Kondor-Tänzer bei der jährlichen Winterzeremonie. Dann trat er zur Seite und drehte sich anders herum. Und das Lied. Es hatte keinen Text. Oder besser gesagt, der Text bestand aus gebrochenen Worten, die in der falschen Reihenfolge und mit einem merkwürdigen Akzent gesungen wurden, aber noch erkennbar waren. Er rief die Macht des riesigen Vogels zu sich herab. Berufkrauts Herz klopfte.
    Das Lied erfüllte ihn mit einem unerklärlichen Entsetzen. Sie versteckten sich hinter einem Berg von trockenem Holz, und Balsam flüsterte: »Hast du diesen Tanz je zuvor gesehen?«
    »Nein.«
    »Er hat ihn in der letzten Zeit ständig wiederholt. Erst zeichnet er eine Weile auf dem Stein, und dann steht er auf und tanzt. Hast du das Lied gehört?« Balsam erschauerte. »Es ist, als hätte er die heiligen Verse des Kondortanzes genommen und absichtlich zerstört. Das ist gegen die Gesetze unseres Volkes.« »Er hat sich nie um die Gesetze des Klans gekümmert.« Balsam befeuchtete sich ängstlich die Lippen. »Er ist ein böser Mann, Berufkraut. Schau dir den Fels zu seinen Füßen an. Kannst du die schwarzen Linien sehen?« Berufkraut schob den Kopf über das Geäst und blickte hinüber.
    Ja
    Klebkraut ließ den Arm sinken, lachte leise und begann, seine Zeichnung mit der Spitze seines Mokassins auszulöschen. Er ließ sich Zeit und ging mit der Sorgfalt eines in seine Arbeit versunkenen Künstlers über jede Linie. Irgendwo in der Nähe schrie ein Kondor, und

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