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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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kann es nicht ertragen.«
    Möwen kreischten.
    Turmfalke schaute mit tränennassen Augen zu ihnen auf. Wütend schienen sie auf ihren Kopf herabstoßen zu wollen.
    Turmfalke duckte sich, um in die Höhle zu kriechen, und sank neben ihrer Tochter auf dem Antilopeniederkleid nieder. Noch immer konnte sie leise das Schreien ihres Sohnes hören. Neben ihr lag das kleine Mädchen so reglos wie eine Leiche. Einen Moment lang vergaß Turmfalke das Atmen.
    Dann schlug ihre Tochter die Augen auf und schaute zu den Löwenmenschen empor, die über ihnen schwebten. In der Tiefe dieser verschwommen blickenden Neugeborenenaugen schien die Zeit sich in einem wirbelnden Strudel zu drehen. Wieder ertönte ein Grollen wie von Tieren, die Warnungen in die Nacht rufen. Der tiefe, kaum hörbare Klang jagte Turmfalke einen Schauer über den Rücken.
    »Heilige … Mammut-Oben …«
    Die Augen ihrer Tochter suchten die ihren, und das Mädchen runzelte die Stirn, als würde es antworten. Je länger Turmfalke in diese Augen blickte, desto leuchtender wurden sie, bis sie so strahlend und schön waren, daß es weh tat, hineinzusehen. Es schien, als löste sich Turmfalkes Seele aus dem Körper, um aufwärts zu fliegen, aufwärts … als wäre sie auf die Flügel emporgleitender Donnerwesen geklettert.
    Das Baby hustete, und das Geräusch zerriß Turmfalkes Träumerei.
    Zitternd nahm sie die Ränder ihres Lederkleids hoch und schlug sie um den Körper ihrer Tochter.
    Dann legte sie das Baby an die Brust, um es zu stillen. »Wirbelndes Wolkenmädchen … das wird dein Name sein, meine Tochter. Wegen deiner Augen.«
    »Mutter!… Mutter!«
    Der Junge ohne Name schrie verlassen in den schwarzen, funkelnden Schoß hinein, der ihn umschloß.
    Doch niemand antwortete.
    Niemand.
    Nicht ein Atemzug bewegte den dunklen Schleier, und wie eine hungrige Bestie fraß die Einsamkeit an seiner Seele.
    »Mutter! Ich möchte leben! Laß mich leben. Ich kann dir helfen!«
    Das ebenholzschwarze Gewebe löste sich zu Fäden auf, die in einem wirbelnden Strudel ständig die Farbe wechselten und sich zu neuen, erstaunlichen Mustern verflochten, als ob das Gesicht von Bruder Regenbogen sich in vielfachen verschlungenen Spiralen ohne Ende nach außen drehte…
    Wunderschön.
    Der Junge lutschte am Daumen, während die farbigen Fäden leicht zu schwingen begannen und ihn hin- und herwiegten wie ein zwischen zwei Bäumen aufgehängtes, von unsichtbarer Hand gestoßenes Wiegenbrett. Er begann schrecklich zu weinen.
    ,Mutter! Warum kannst du mich nicht hören? Ich habe nach dir gerufen und gerufen. Ich bin nicht tot, Mutter. Ich bin hier. Hier oben. Lebendig in den Sternen. Laß mich herabkommen. Laß mich bei dir sein. Bitte, Mutter. Ich muß bei dir sein. Ich mache auch keinen Ärger. Das verspreche ich. Ich will nur nahe bei dir sein.«
    »Mutter!« schrie er. »Laß mich bei dir sein!«
    Die Regenbogenspiralen wurden zu einem Lied … leise zuerst und kaum hörbar, doch dann erhoben sich die kristallklaren Töne wie das Trompeten von tausend Mammuts auf einmal. Sie vereinigten sich zu einem so herrlichen Wiegenlied, daß seine Angst beschwichtigt wurde, so wie wenn man kühlende Salbe auf eine heiße Wunde aufträgt.
    Er lutschte zufriedener am Daumen, obwohl die Musik nicht wie die weiche, braune Brustwarze seiner Mutter war. Ganz und gar nicht. Die Regenbogenspiralen würde diese Erinnerung niemals auslöschen, niemals …
    Er träumte davon, als er einschlief, und flüsterte traurig: » Warum kannst du mich nicht hören, Mutter? Du mußt mich hören. Ich möchte leben.«

4. KAPITEL
    Melisse stöhnte, als er sich reckte, um im Innern des Mammutbrustkastens an das an den Rippen hängende Fleisch zu kommen. Das ganze Dorf hatte den Morgen damit verbracht, die Kadaver zu häuten, die Bäuche aufzuschneiden und die schwere Masse der Eingeweide herauszuzerren. Die Leber war in Scheiben geschnitten worden. Man hatte sie den Kindern überlassen, die sie sofort wegtrugen und über das heraustropfende und ihre Haut schwärzlich-rot überziehende Blut kicherten.
    So hatten sich die Dorfbewohner einen Kadaver nach dem anderen vorgenommen. Die mit Salzwasser gefüllten Lungen hatte man herausgeschnitten und für die kreischenden und streitenden Möwen in die Brandung geworfen. Später, wenn es dunkel wurde und die Flut kam, würden sich die Krabben über die Lungen hermachen.
    Melisse sog an seinen Lippen, als er den dicken, gelben Arterienstrang betrachtete, der lose vom

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