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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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der Mitte des Stromes schlug, spritzte weiße Gischt empor. Die zersplitterten Überreste einer riesigen Pappel schössen wie ein brünstiger, wild bockender Bison durch die trübe Flut.
    Das überlebt keiner. Ich werde ertrinken. Ich werde da draußen mit meiner Tochter sterben.
    Turmfalke machte einen großen Bogen um eine Stelle, wo vor langer Zeit Mammuts über die Klippe getrieben worden waren. Dutzende von Skeletten lagen auf einem großen Haufen. Die Rippen waren gebrochen und wie lange, weiße Finger ineinander verhakt. Turmfalke konnte die Stelle erkennen, wo ihre Vorfahren die Herde über den Rand der Klippe getrieben hatten. Die Mammuts mußten sich verzweifelt dagegen gestemmt haben, hinabzufallen. Von vorstehenden Felsen waren Brocken abgebrochen, wo die Tiere in den Abgrund getaumelt waren. In den letzten zwei Tagen hatte sie mehrere solcher Jagdstellen gesehen, doch an keiner hatten so viele Skelette gelegen wie an dieser. Als Turmfalke vorbeilief, versuchte sie ohne besonderen Grund, sie zu zählen. Schätzungsweise dreißig oder vierzig Tiere. Sie mußten in einem der Monde herabgestürzt sein, in denen Winterjunge das Land umarmte, denn nur dann kamen so riesige Herden zusammen.
    Der Anblick der hohlen Schädel und der von der Wucht des Aufschlags zerbrochenen Knochen quälte sie.
    Dies ist ein Ort des Todes und meiner wird nur ein weiterer sein.
    Wolkenmädchen hüpfte in dem Kaninchenfellsack auf Turmfalkes Rücken auf und ab. Sie war wach, verhielt sich aber ruhig. Turmfalke hatte den Tragesack so hoch gebunden, daß sie das Baby sehen konnte, wenn sie ihm den Kopf zuwandte. Zwei große blaue Augen blickten sie aus einem Reif grauen Fells heraus an. Der Mausefellschnuller bewegte sich rhythmisch in ihrem winzigen Mund.
    Normalerweise schlief Wolkenmädchen nach dem Stillen ein, diesmal war das jedoch nicht der Fall.
    Vielleicht konnte sie die Furcht spüren, die sich ins Herz ihrer Mutter verkrallt hatte. Turmfalke vermochte ihre Augen nicht davon abzuhalten, ständig zum Gipfel des Steilufers zu blicken. Halb erwartete sie, dort Männer mit Atlatls auf sich zielen zu sehen. Doch nur die Kondore, die hoch oben in den zerklüfteten Felsen saßen, erwiderten ihren Blick.
    Turmfalke hatte bis zum frühen Nachmittag gewartet, um die Wassertemperatur zu prüfen, und fand sie eben noch erträglich. Die Überquerung des Flusses würde dennoch riskant werden. Sie würden die gegenüberliegende Seite erst kurz vor Anbruch der Dunkelheit erreichen, doch sie konnten es schaffen. Dessen war sie sich plötzlich sicher.
    Vor ihr, am Fuße des faustförmigen Flußsteins, lag die aufgeblasene Tapirhaut. »Bist du bereit, Wolkenmädchen?«
    Wolkenmädchen gab einen leisen Ton von sich.
    Turmfalke verlangsamte ihren Schritt und suchte ein letztes Mal die Erd- und Felsschichten des erodierten Steilufers mit den Augen ab. Dann kniete sie sich bei der Tapirhaut nieder. Vergangene Nacht hatte sie die an dem noch nicht zugenähten Vorderbein aufgeblasen und danach die Öffnung zusammengedreht und mit einem Stück feuchter Sehne abgebunden. Seitdem hatte die Haut Luft verloren, aber nicht viel.
    »Das geht in Ordnung, Wolkenmädchen. Schau, die Haut hat die Luft die ganze Nacht gehalten.«
    Sie blickte über das weite, wild dahinströmende Wasser. Auf der Oberfläche glitzerte das Sonnenlicht in einem überwältigenden Muster von Blau und Gold. Turmfalke nahm das Bündel mit ihren Werkzeugen und dem in der vergangenen Nacht geräucherten Fleisch des Kalbes von den Hüften.
    Eilig holte sie das Wadenbein und einen langen getrockneten Sehnenstrang heraus. Sie tauchte die Sehne ins Wasser, bis sie schlüpfrig wurde.
    »Der Fluß ist in dieser Jahreszeit so breit, daß wir eine ganze Weile brauchen, um ihn zu überqueren.
    Dann zünden wir ein Feuer an und wärmen uns wieder auf. Keine Angst, Baby. Ich bin gleich wieder hier.«
    Doch ihr Herz schlug heftig, als sie die Sehne an dem Vorderbein aufband. Vorsichtig lockerte sie die Öffnung, so daß sie mehr Luft hineinblasen und den Sack prall machen konnte. Dann drehte sie das Vorderbein wieder zusammen und hielt es mit dem Knie fest, während sie mit dem Wadenbeinknochen Löcher ins Leder bohrte und die Öffnung mit dem Sehnenstrang zunähte.
    Das Blut rauschte ihr in den Ohren. Langsam nahm sie das Knie von der zusammengedrehten Beinhaut. Aus der Naht kam kein Zischen. Um sicherzugehen, daß es nicht leckte, tauchte Turmfalke das Tapirbein unter Wasser und achtete auf

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