Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
Schwarzschädel schaute Perle traurig an.
»Oh!« Otter kam zurückgerannt. Er lächelte Forelle zu. »Paß auf sie auf. Sie ist die beste Frau der Welt.« Er zog eine gefaltete Matte aus Gras aus seinem Hemd. »Hier«, sagte er zu Perle und sah ihr in die Augen. »Ich glaube, sie gehört dir. Ich kenne deine Gebete nicht… aber ich hoffe, sie werden erhört.«
Er berührte zärtlich ihre Hand und wich zurück. »Auf Wiedersehen.«
Als er zu seinem Kanu lief, schaute Perle sich die Gebetsmatte an und erinnerte sich, daß jeder der Knoten für Verzweiflung und für Entsetzen stand.
»Perle?« fragte Forelle ängstlich.
Er mußte die Matte auf dem Fluß gefunden und dann den ganzen Weg an seinem Herzen bewahrt haben. Warum? Kannte er die Bräuche ihres Volks ? Wußte er, daß sie glaubten, die Wärme erwecke die Seele in der Matte, nähre sie, halte die Gebete lebendig? Vielleicht war es ihr deshalb gelungen, den Khota zu entkommen. Weil er sich um eine unbekannte Frau und ihre Angst gekümmert hatte…
»Forelle?« Sie konnte kaum sprechen. »Ich … ich kann nicht mit dir gehen.«
»Warum nicht, Perle?«
»Ich bin der Dampf, nicht Gedämpftes.« Sie schnupfte und suchte nach Worten. »Weil ich Otter liebe.«
Als sie sich umdrehte, die Augen in Tränen schwimmend, hatte Wellentänzer schon die Brandung hinter sich und fuhr im offenen Wasser. Nur Schnapper schaute zurück, die Ohren aufgestellt und mit dem Schwanz wedelnd.
Sternmuschel spürte eine Hand auf dem Mund und war sofort hellwach.
»Psst!« flüsterte Langer Mann ihr ins Ohr, sein kleines Gesicht war direkt über ihr. »Mach keinen Lärm! Weck Silberwasser und nimm die Bündel. Versteck dich zwischen den Sumachbäumen, und bei deinen Ahnen, sei leise!«
»Warum ? Was …«
»Seht! Ich habe fast alles getan, was ich für dich tun konnte, Sternmuschel. Etwas bleibt noch. Dann wirst du dich auf deinen eigenen Verstand verlassen müssen. Traue niemandem! Du weißt, daß die Maske die stärksten Seelen verderben kann.«
Er versank im dichten Gras, als er wegschlich. Dann zog er aus seinem Zauberbündel mit dem Wolfskopf mit Gras umwickelte Stöckchen, steckte sie in den Boden und eilte den Pfad hinab auf die dunklen Bäume zu.
Auf der anderen Seite der Lichtung steckte er noch ein Stöckchen in den Boden, und schon war er im Gespinst der Bäume verschwunden.
Sternmuschel schlug ihre Decken zurück und hängte sich das Bündel mit der Maske über die Schulter.
Sie weckte Silberwasser. »Komm mit, meine Kleine. Wir müssen sehr, sehr leise sein.«
»Warum, Mama?«
»Seht!« Sternmuschel schob ihre Sachen und das Maskenbündel vor sich her und kroch zwischen den Sumachstämmen voran. Sie schaute sich immer wieder um, ob Silberwasser ihr auch folgte.
»Mama?« flüsterte Silberwasser. »Ich habe Angst.«
Ich auch. »Es wird alles gut, Kaulquappe.« Was war überhaupt passiert? Was hatte Langer Mann entdeckt, was …
»Hier lang!« hörte sie da Wanderdrossels Stimme.
Sternmuschel biß so fest die Zähne zusammen, daß ihr Kopf zitterte. Sie hielt Silberwassers Umhang noch fester und wagte kaum zu atmen.
»Dort geht er!« schrie Grünspecht. »Fangt ihn!
»Hat er die Maske?« rief Wanderdrossel.
Sternmuschel kauerte am Boden und drückte Silberwasser an sich.
»Mama?« fragte Silberwasser.
»Still«, flüsterte sie. »Wir müssen so stumm sein wie ein zugefrorener Teich.«
Sternmuschel versuchte, nicht an die gräßliche Maske zu denken. Wußte die Maske, daß Wanderdrossel und seine Krieger den Wald durchkämmten? Versuchte sie, ihnen ein Zeichen zu geben? Oder hatte die Maske sie gerufen, sich in ihre Träume eingeschlichen und ihnen gesagt, wo sie nach ihr und Langer Mann suchen sollten?
Wir waren so nah am Ziel! Der obere Mondmuschelfluß war weniger als einen Tagesmarsch von hier entfernt. Langer Mann hatte ihr von einem Mann erzählt, der ihnen zeigen würde, wie man zum Brüllenden Wasser gelangte. Nun aber, wo Wanderdrossels Krieger ihre Fährte ausgekundschaftet hatten, würden sie es niemals schaffen.
Was machst du, Langer Mann? Am liebsten wäre sie weggelaufen, aber besser war es wohl, den Anweisungen von Langer Mann zu folgen.
Das Geraschel von Blättern und leise Stimmen zwangen sie, ihre Hand auf Silberwassers Mund zu drücken.
»… muß irgendwo hier sein.«
»Der Zwerg könnte gelogen haben.«
Wieder Geräusche von Schritten.
»Wir sollten bis morgen warten. Im Hellen sind ihre Spuren besser zu finden.«
»Wir
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