Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
zusammengezogen. Außerdem solltet ihr bedenken, daß einige Clans sicher nicht auf eurer Seite kämpfen werden und andere sich mit Glimmervogel verbünden.«
»Ehrwürdiger Ältester, Glimmervogel wird nichts erfahren«, versicherte Wanderdrossel. Aus engen Augenschlitzen beobachtete er Sternmuschel.
Ihr Herz schlug heftig. Gesegnete Geister, werde ich die erste sein, die für Katzenfischs Tod bezahlen muß?
»Er weiß es schon.« Der Magier sah Wanderdrossel nachdenklich an. »Oder er wird es wissen, sobald er die Maske aufsetzt. Sie wird es ihm verraten.«
»So hat er Katzenfisch getötet!« brüllte Wanderdrossel. »Und wir werden dafür sorgen, daß so etwas nie mehr geschieht. Verstehst du nicht, Ältester? Glimmervogel ist zu weit gegangen. Und wir sind nicht der einzige Clan, den er in Wut versetzt hat. Überall im Tal dürsten die Menschen nach seinem Blut. Wir wollen diesem Wahnsinn ein Ende machen. Blut kann nur durch Blut gesühnt werden!«
»Was ist vorgefallen?« Sternmuschel brachte die Frage nur mit Mühe heraus.
Wanderdrossel starrte sie mit haßverzerrtem Gesicht an. »Dein Mann stach dem Sohn von Katzenfisch mit seinem Grabstock ein Auge aus. Dann wollte er den Jungen kastrieren. Es wäre ihm auch gelungen, hätte nicht Alter Schiefer es verhindert. Und warum? Weil man den Jungen dabei erwischte, wie er sich mit Glimmervogels Schwester paarte.
Katzenfisch geriet fürchterlich in Zorn und stürmte zu den Sonnenhügeln, um Vergeltung zu fordern.
Glimmervogel schlug ein Treffen im Clanhaus vor - allein. Doch als Katzenfisch dort eintrat, trug dein Mann offenbar die Maske.
Zwei Männer deines Clans warfen dann den Körper hinaus in den Schnee, wo ihn Grünspecht gefunden hat, von Wölfen angefressen.«
»Ihr solltet keinen Krieg führen«, sagte Langer Mann mit Nachdruck.
»Verzeih mir, geehrter Ältester, warum nicht?« fragte Wanderdrossel. »Erwarten die Langschädel von uns, daß wir das erdulden? Uns behandeln lassen wie Lagerhunde, getreten, gar ermordet, je nach Glimmervogels Lust und Laune?«
»Sicher nicht.« Langer Mann drehte sich zum Feuer, um seine Stirn zu trocknen. »Doch bedenkt, Mitglieder des ehrwürdigen Blauentenclans, die Folgen eures Tuns. Das ist kein kleiner Grenzstreit zwischen zwei Clans, sondern ihr wollt Blutrache, die dieses Tal auseinanderreißen wird. Der Krieg kann nicht vor dem nächsten Hochsommer beendet sein. Was wollt ihr dann tun? Euch hinter die Hügel zurückziehen? In den Befestigungen des Clans leben? Habt ihr dafür genügend Vorräte? Wann wollt ihr eure Felder bestellen? Und während sich die Auseinandersetzungen dahinziehen, fahren die Händler an euch vorbei.«
»Was rätst du uns also, verehrter Ältester?« fragte Wanderdrossel mit hochgezogener Braue.
»Ich werde mich um Glimmervogel kümmern.«
»Du?« Wanderdrossel lächelte über diesen absurden Vorschlag. »Ehrwürdiger Zauberer, wir kennen deinen Ruf, aber im Ernst…«
Zum ersten Mal veränderte sich der Gesichtsausdruck des Magiers. Mit funkelnden Augen sah er Wanderdrossel scharf an. Vielleicht war es nur ein Spiel des Feuerscheins, aber er schien zu wachsen, und seine Augen wurden zu großen strahlenden Scheiben. »Beurteilst du einen Mann immer nach seiner Körpergröße, junger Freund?«
Der stämmige Mann trat einen Schritt zurück, und sein Gesicht verlor an Farbe. »Nein, Ältester.« Er atmete tief ein. »Aber angenommen, du bestrafst Glimmervogel tatsächlich, löst das noch immer nicht unser Problem. Dann nimmt sich ein anderer vom Leuchtvogelclan die Maske - und alles fängt von vorne an. Wir waren das Opfer von Glimmervogel und davor das Opfer seines Großvaters. Jetzt ist es genug!«
Langer Mann strich sich nachdenklich über das runzlige Kinn. »Ich verstehe. Ich nehme an, die anderen Clans würden die Maske auch gern haben?«
»Für die anderen Clans kann ich nicht sprechen.« Die Antwort war klar genug. Alle Clans am Mondmuschelfluß hatten gesehen, welche Macht die Maske gewährt. Jeder würde wie Wanderdrossel denken.
Langer Mann lächelte nachsichtig. »Ja, mein junger Freund, ich glaube, wir sind einer Meinung. Der Leuchtvogelclan hat die Maske lange genug gehabt. Wir wollen sehen, was wir tun können.«
»Und sie?« Wanderdrossel deutete auf Sternmuschel.
»Oh, sie ist auf unserer Seite. Das könnt ihr mir glauben.«
Wanderdrossel zeigte Sternmuschel die geballte Faust. »Und was ist mit deiner Verpflichtung dem Clan gegenüber? Du bist deinem Ehemann
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